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Quartiere stärken durch private Initiativen

RAHMENBEDINGUNGEN FÜR BUSINESS IMPROVEMENT DISTRICTS

Der niedersächsische Landtag hat in seiner Plenarsitzung vom 28.04.2021 das Niedersächsische Gesetz zur Stärkung der Quartiere durch private Initiativen (Niedersächsisches Quartiersgesetz „NQG“) beschlossen. Das Land schafft somit Rechtssicherheit für die Einrichtung sogenannter Business Improvement Districts (BID), welche in Niedersachsen künftig die Bezeichnung „Quartiersgemeinschaften“ tragen. Damit existiert jetzt auch in Niedersachen die Grundlage für ein wichtiges Instrument der Stadtentwicklung, um Quartiere und Zentren ergänzend auch durch Privatinitiativen zu stärken. Auf diesen Seiten erfahren Sie mehr über das Instrument der BIDs und die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die nachfolgenden Interviews zeigen Umsetzungsbeispiele und vermitteln Ihnen Einblicke in praktische Erfahrungen von bereits bestehenden BID-Quartiersgemeinschaften in Hamburg und Rheine (Nordrhein-Westfalen).

BUSINESS IMPROVEMENT DISTRICTS

Nicht erst seit Corona bestehen für viele Innenstadtlagen, Stadtteilzentren oder Ortskerne Notwendigkeiten einer Weiterentwicklung, Wandlung und Attraktivitätssteigerung. Deshalb wird es jetzt auch in Niedersachsen für private Akteure möglich werden, ihr Stadtquartier eigenverantwortlich weiterzuentwickeln und zu stärken – mit oder ohne finanzielle Beteiligung der Kommunen. Denn genau hier setzt das Instrument der BIDs an – ein international erfolgreiches Modell von Eigentümerinitiativen, die gemeinsam Maßnahmen zur Aufwertung ihres geschäftlichen Umfelds und Standorts in Eigenregie und Eigenfinanzierung umsetzen.

In dem räumlich klar definierten Bereich eines BID-Quartiers engagiert sich die selbst gegründete Quartiersgemeinschaft in öffentlich-privater Partnerschaft, um eigenverantwortlich ein vorher festgelegtes, zeitlich befristetes Maßnahmen- und Finanzierungskonzept umzusetzen. Die Finanzierung übernehmen im Wesentlichen die privaten Grundstücks-/Immobilieneigentümerinnen des BID-Quartiers über eine selbst auferlegte und zeitlich befristete verbindliche Abgabe.

DIE WICHTIGSTEN PLUSPUNKTE

BIDs geben den privaten Akteuren als verbindlich organisierte Gruppe mehr Chancen und Umsetzungsstärke gegenüber einzelnen Akteuren, Arbeits- oder Werbegemeinschaften.

Die gesetzliche Grundlage ermöglicht es privaten Akteuren, Aufwertungsmaßnahmen mithilfe einer verbindlichen und fair auf alle Schultern verteilten finanziellen Basis im gemeinsamen Interesse umzusetzen. Hervorzuheben ist dabei, dass verbindlich geregelte BIDs die Möglichkeit für „Trittbrettfahrer“ ausschließen, von den angeschobenen Maßnahmen zu profitieren, ohne sich selbst daran finanziell zu beteiligen.

URSPRUNG UND BEGRIFFE

Seit mehr als 15 Jahren findet das ursprünglich aus Nordamerika kommende Modell des Business Improvement Districts Anwendung in Deutschland. Ab 2005 wurden, als Reaktion auf den Funktionsverlust und Abwärtstrend von Handelslagen, auch in Deutschland auf Länderebene erstmals die gesetzlichen Grundlagen für die Errichtung von BIDs geschaffen. Vorreiter waren vor allem Hamburg und Hessen. Mittlerweile gibt es in elf Bundesländern eine gesetzliche Grundlage für BIDs, die je nach Bundesland unterschiedlich bezeichnet werden. Zum Beispiel als Immobilien- und Standortgemeinschaften (ISG), als Innerstädtische Geschäftsquartiere (INGE) oder als Partnerschaften zur Attraktivierung von City-, Dienstleistungs- und Tourismusbereichen (PACT). In Niedersachsen heißen sie Quartiersgemeinschaften.

DAS NIEDERSÄCHSISCHE QUARTIERSGESETZ (NQG)

Das beschlossene NQG schafft die rechtlichen Voraussetzungen für BIDs. In klar definierten Quartiersgemeinschaften können sich damit Grundstückseigentümer, Einzelhändler, Gastronomen, Dienstleister sowie Bewohner in privaten Initiativen zusammenschließen. Auf diese Weise können sie beispielsweise konkrete Projekte umsetzen, ihr Quartier aufwerten, Immobilienwerte erhalten oder Leerstände beseitigen. Finanziert werden diese Initiativen durch Umlagen, die gemäß Satzung im BID erhoben werden. „Mit dieser Initiative wollen wir unsere Innenstädte gemeinsam weiterentwickeln“, erläutert Niedersachsens Bauminister Olaf Lies. „Wir wollen damit die unterstützen, die etwas vor Ort bewegen wollen, und gleichzeitig auch die mit in die Pflicht nehmen, die sich vielleicht sonst eher nicht beteiligen. Wir geben den Initiativen vor Ort die Möglichkeit, gemeinsame Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität ihres Quartiers zu ergreifen. Ob es eine Geschäftsstraße ist oder ein Wohnquartier: Wer in seinem Quartier etwas verbessern möchte, kann sich so mit anderen zu einer Quartiersgemeinschaft zusammenschließen und spürbar etwas bewirken. Das kann von der Einrichtung von Co-Working-Räumen und Projekten gegen Leerstand über gemeinsame Werbemaßnahmen bis hin zu Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Gestaltung der öffentlichen Räume insgesamt gehen. Die Corona-Krise hat den Druck auf die Stadt- und Ortszentren noch einmal erheblich erhöht. Deshalb ist das NQG gerade jetzt ein wichtiges Signal an die Innenstadtakteure. Insbesondere in unseren Innenstädten und Ortszentren wissen wir von zahlreichen Initiativen von Geschäftsleuten, Kammern und Handelsverbänden, die in den Startlöchern stehen und loslegen wollen. Gemeinsam können sie durch Aktionen und bauliche Maßnahmen das Einkaufserlebnis und die Aufenthaltsqualität deutlich verbessern.“

Mit Fördermitteln in Höhe von insgesamt 800.000 Euro leistet das Land Niedersachsen eine Anschubfinanzierung für BID-Projekte im Sinne des NQG. Noch im dritten Quartal soll das Wettbewerbsverfahren starten. Auch eine Chance für mögliche Wolfsburger Quartiersinitiativen.

Das Gesetz im Wortlaut finden Sie hier.


DIESE VERFAHRENSSCHRITTE SIND IN NIEDERSACHSEN NÖTIG, BIS EIN BID-QUARTIER OFFIZIELL IST

Sobald sich die Initiatoren der Standortgemeinschaft sicher sind, dass das Maßnahmen- und Finanzierungskonzept von möglichst vielen Eigentümern mitgetragen wird, kann bei der Kommune ein Antrag auf den Erlass einer Quartiersatzung gestellt werden. Dem Antrag, der ein konkretes und auf höchstens fünf Jahre befristetes Maßnahmen- und Finanzierungskonzept für ein klar definiertes Quartier enthält, müssen 15 Prozent der Grundstückseigentümer, die gleichzeitig über mindestens 15 Prozent der Fläche im Quartier verfügen, zustimmen. Die geplanten Maßnahmen der Standortgemeinschaft müssen dabei mit den Zielen der kommunalen Stadtentwicklung im Einklang stehen. Wenn vonseiten der Stadt keine Bedenken bestehen und es politisch befürwortet wird, legt die Stadt den BID-Antrag öffentlich aus und informiert sämtliche Grundeigentümer aus dem Quartier. Widersprechen im Zuge der öffentlichen Auslegung dem BID-Konzept schließlich nicht mehr als die für Niedersachsen festgelegten 30 Prozent aller Grundstückseigentümer eines Quartiers, deren Gesamtfläche mehr als 30 Prozent der Gesamtgrundstücksfläche im Quartier betragen muss, wird das BID offiziell von der Stadt eingerichtet. Später erhalten die Grundstückseigentümer von der Stadt einen Abgabenbescheid und müssen ihren vorher festgelegten BID-Beitrag für die Umsetzung der gemeinsam definierten Maßnahmen leisten.

EINORDNUNG DER CHANCEN DES QUARTIERSGESETZES FÜR WOLFSBURG

Bundesweit ist festzustellen, dass BIDs ein wirkungsvolles Instrument für die funktionale wie auch städtebauliche Stärkung von innerstädtischen Straßenzügen, Ortskernen oder Ortsmitten sind, welches gleichzeitig die Gemeinschaft und private Zusammenarbeit vor Ort stärkt.

„Das Quartiersgesetz ist eine sehr zu begrüßende Ergänzung zu den bereits vorhandenen Möglichkeiten der Stadtentwicklung, zumal sich die Transformationsprozesse in den Zentren infolge der Corona-Pandemie einmal mehr beschleunigt haben. Das Gesetz kommt insofern zur rechten Zeit und bietet in Verbindung mit den weiteren Förderprogrammen von Bund und Land zusätzliche Chancen zur Stärkung und Attraktivierung von Handelslagen, Straßen und Plätzen“, so WMG-Geschäftsführer Jens Hofschröer.

„In Wolfsburg haben sich in den vergangenen Jahren bereits einige private Standortinitiativen wie zum Beispiel am Hansaplatz, Detmerode oder auch am Reislinger Markt erfolgreich auf freiwilliger Basis zusammengeschlossen und wirkungsvolle Maßnahmen zur Aufwertung ihres Standorts mit privaten Mitteln gemeinschaftlich umgesetzt. Insbesondere für diese, aber auch weitere Standorte in Wolfsburg bieten sich mit dem Quartiersgesetz jetzt neue Chancen für eine Verstetigung der standortstärkenden Zusammenarbeit, die es gemeinsam vor Ort auszuloten gilt. Eine wichtige Voraussetzung hierfür wird es jedoch sein, dass über die mit dem Gesetz vom Land zugesagte Anschubfinanzierung für niedersächsische BID-Quartiere zeitnah Klarheit geschaffen wird, da die Umsetzung nicht nur mit organisatorischem, sondern auch mit finanziellem Aufwand verbunden sein wird“, stellt Hofschröer abschließend heraus.


Titelbild: © WMG Wolfsburg

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