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BIDS KÖNNEN EINEN DOMINO-EFFEKT AUSLÖSEN

Nina Häder über Erfolgskriterien und Stolpersteine von Standortgemeinschaften

Die Wirtschaftsgeografin startete vor 13 Jahren als Quartiersmanagerin in Hamburg-Niendorf. Inzwischen ist Nina Häder geschäftsführende Gesellschafterin des Beratungsunternehmens Stadt + Handel City- und Standortmanagement BID GmbH. Das Team begleitet BIDs in der Vorbereitung und Umsetzung und ist bundesweit tätig. Ganz aktuell unterstützt Stadt + Handel das Land Niedersachsen im Wettbewerbsverfahren „Pilot Quartiersgemeinschaften in Niedersachsen“, bei dem die Einrichtung von Quartiersgemeinschaften nach dem Niedersächsischen Quartiersgesetz (NQG) gefördert wird.

Hamburg gilt als Vorreiter auf dem Feld der BIDs. Warum?

» Die hanseatische Mentalität, wonach sich Grundeigentümer wie Kaufmannschaft schon immer finanziell stark für ihre Stadt engagiert haben, ohne auf die Unterstützung durch die Stadt zu warten, spielt in diesem Zusammenhang sicherlich eine wichtige Rolle. Man kann bis heute beobachten, dass Hamburger Unternehmen und Einzelpersonen durchaus bereit sind, viel Geld auch in den öffentlichen Raum zu investieren. Sicherlich mögen auch das Gründe gewesen sein, warum schon 2005 die ersten beiden BIDs in Hamburg an den Start gegangen sind. Ein Grundeigentümer brachte die Idee seinerzeit aus Nordamerika mit. Die ersten BIDs erzeugten einen Domino-Effekt innerhalb Hamburgs, weil sich die Ergebnisse sehen lassen konnten. Der öffentliche Raum in den BID-Quartieren zeigte sich deutlich aufgewertet, sodass andere Quartiere unter Zugzwang gerieten und das Konzept adaptierten. All das hat schließlich dazu geführt, dass die Ansprechpartner auf städtischer Seite inzwischen erfahrene Experten in diesem Themenfeld sind und die BID-Initiativen vom Antragsverfahren bis zur Umsetzung optimal begleiten können.

Warum machen BIDs gerade heute so viel Sinn?

» Nicht erst seit Corona leiden Stadtzentren unter einem zunehmenden Bedeutungs- und Funktionsverlust. Zahlreiche innerstädtische Geschäftsquartiere haben in den letzten Jahren an Anziehungskraft und Attraktivität verloren. Den Kommunen liegt vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen viel daran, die Innenstädte und Ortszentren als Handelsstandorte attraktiv zu halten. Diese Aufgabe kann allerdings nur gemeinsam mit sämtlichen Akteuren vor Ort – insbesondere auch den Grundeigentümern – bewältigt werden.

Traditionell sind es allerdings oft lediglich die Gewerbetreibenden, die sich um die Verbesserung ihres Standorts in Form von Werbegemeinschaften kümmern. Das Engagement der Grundeigentümer ergab sich in der Vergangenheit oftmals daraus, dass diese gleichzeitig Händler in ihrer eigenen Immobilie waren und sich deshalb in Werbegemeinschaften engagierten. Mittlerweile finden wir diese Konstellation nur noch selten. Stattdessen überwiegen in den Innenstädten die Filialisten und die Franchise- Unternehmen. Interessen- und Werbegemeinschaften mit ihren freiwilligen Strukturen haben es da immer schwerer. Das Engagement von wenigen Akteuren und der geringe finanzielle Rückhalt reichen oft noch nicht einmal aus, um eine Weihnachtsbeleuchtung zu organisieren. Und hier setzt das Stadtentwicklungsinstrument der BIDs an. Die Einrichtung eines BID schafft im Gegensatz zu den Möglichkeiten von freiwilligen Werbe- und Interessengemeinschaften zeitliche, finanzielle und inhaltliche Planungssicherheit und bezieht nunmehr auch die Grundeigentümer verstärkt in die lokalen Entwicklungsprozesse ein.

Auf welche Erfolgskriterien kommt es besonders an?

» Entscheidend für das Gelingen des Vorbereitungs- und Umsetzungsprozesses ist die Ausrichtung auf gemeinsame Ziele sowie die Qualität der Zusammenarbeit. Neben inhaltlichen Fragestellungen wie einer nachvollziehbaren Abgrenzung des BID-Gebietes, der Auswahl von geeigneten Maßnahmen zur weiteren Entwicklung des Quartiers und eines tragfähigen Finanzierungskonzepts ist die gute Zusammenarbeit innerhalb des Quartiers ein wichtiges Erfolgskriterium. Zwischen Grundeigentümern und Händlern muss das Zusammenspiel ebenso stimmen wie die Zusammenarbeit mit der Gemeinde und der Politik. Nur wenn die Gemeinde ein BID unterstützt, hat es Aussicht auf Erfolg.

Was sollte in der Initiativphase besonders bedacht werden?

» Schon eine kleinere Gruppe von Grundeigentümern bestehend aus zwei bis drei Personen kann einen BID-Prozess anschieben, wenn sie mit guten Ideen weitere Mitstreiter begeistern kann. Eine entscheidende Rolle im Prozess spielt dabei die Besetzung der Lenkungsgruppe. Da jede BID-Initiative der Zustimmung der Gemeinde bedarf, sollten wichtige Vertreter frühzeitig eingebunden werden – besonders, wenn es um bauliche Veränderung im öffentlichen Raum geht. Neben Vertretern der Grundeigentümer können Vertreter der Händlerschaft, der Werbegemeinschaft, der Wirtschaftsförderung sowie des Stadtmarketings die Lenkungsgruppe bereichern. Die bereits bestehenden BIDs regeln die Mitwirkungsmöglichkeiten durchaus sehr unterschiedlich. In manchen BIDs entscheiden lediglich die Grundeigentümer über die Maßnahmen und die Kosten, weil sie es sind, die am Ende auch die Kosten tragen müssen, in vielen BIDs jedoch wird die Expertise der Händler und weiterer Akteure durchaus sehr geschätzt und so werden diese sehr vollumfänglich in die Entscheidungsprozesse einbezogen.

Der „Aktivistenkreis“ aus Grundeigentümern, Händlern etc. muss sich schließlich als Quartiersgemeinschaft organisieren, um ihren Pflichten zur Umsetzung der BID-Maßnahmen nachkommen zu können. Diese Rolle kann jedoch auch ein Aufgabenträger übernehmen, das können Werbegemeinschaften, das Stadtmarketing oder auch externe Beratungsbüros sein.

Wie sieht es mit Fördermitteln aus?

» Grundsätzlich existieren in Zeiten von Corona zahlreiche Förderprogramme für Maßnahmen der Innenstadtentwicklung. Im Zusammenhang mit dem Niedersächsischen Quartiersgesetz gibt es nun ein ganz spezielles Förderprogramm zur Anschubfinanzierung von BIDs. Das Land Niedersachsen stellt insgesamt 800.000 Euro zur Verfügung, um insbesondere die inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitungen zur Einrichtung von Quartiersgemeinschaften zu unterstützen. Aus Erfahrung wissen wir, dass bereits in der Vorbereitungsphase einiges an Kosten auf die Initiativen zukommt. Sei es, dass ein externes Beratungsbüro beauftragt werden soll, oder weil Architekten oder Planer hinzugezogen werden sollen. Grundeigentümer müssen hier regelmäßig in Vorleistung gehen, gerade bei kleineren Initiativen stellt sich das häufig als schwierig heraus. Dieser Problematik will das niedersächsische Förderprogramm entgegenwirken. Weil wir die niedersächsische Landesregierung beim Auswahl- und Wettbewerbsprozess um die Fördermittel begleiten, wissen wir, dass es derzeit Schlag auf Schlag geht. Bereits Ende August soll das Wettbewerbsverfahren gestartet werden. Das heißt, jede Wolfsburger BID-Initiative, die bereits über ein gutes Konzept oder erste Ideen verfügt, sollte die Chance nutzen, sich an diesem Wettbewerb zu beteiligen, um im Erfolgsfall Gelder für die Vorbereitung zu erhalten.

Welche Praxistipps können Sie Akteuren geben, die ein BID planen?

» Grundsätzlich möchte ich die Angst davor nehmen, dass potenzielle Initiativen den notwendigen Prozess als zu kompliziert wahrnehmen und sich von den formalen Anforderungen abschrecken lassen. Viele denken möglicherweise: „Das dauert doch alles viel zu lange und wir wissen nicht, wo wir anfangen sollen.“ Mein Tipp: Wenn Sie das Gefühl haben, dass etwas für Ihren Standort getan werden muss, dann fangen Sie einfach an. Machen Sie sich auf die Suche nach zwei, drei Mitstreitern (Grundeigentümern), die eng mit dem Standort verbunden sind und sich engagieren wollen. Dann setzen Sie sich zusammen und überlegen Sie, was Sie für den Standort erreichen möchten und welche Maßnahmen für die Zielerreichung richtig erscheinen. Mit guten Konzepten und engagierten Akteuren können BIDs ein enorm starkes Instrument zur Verbesserung des Standorts sein. Das bestätigen unsere Erfahrungen nicht nur in Hamburg. Es gibt viele Beispiele bundesweit, wo seit vielen Jahren BID-Projekt erfolgreich laufen. Sie zeigen, wie das Niveau eines Quartiers gehoben werden kann, wie sich Standorte positiv von anderen absetzen können und BIDs dadurch häufig Nachahmer finden.


Titelbild: Nina Häder © www.snapshotz.de