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ISG „EMSQUARTIER IN RHEINE“

Hendrik Welp, Prokurist bei der Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft für Rheine mbH
Hendrik Welp © EWG Rheine

Hendrik Welp über ein besonderes Projekt in Rheine

Diplom-Geograf Hendrik Welp ist Prokurist bei der Stadttochter EWG (Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft für Rheine mbH). Er ist Projektleiter Citymanagement / Standortmarketing und Ansprechpartner für die Entwicklung von innerstädtischen Quartiersgemeinschaften, darunter die ISG „Emsquartier in Rheine“. In NRW laufen BIDs unter dem Begriff „Immobilien- und Standortgemeinschaft“ (ISG) – in Rheine gibt es im Sinne eines BIDs ausschließlich „freiwillige“ Quartiersgemeinschaften.

Wie kam es zur Gründung und was sind die Besonderheiten der ISG Emsquartier?

» Die Innenstadt Rheine ist durch die Ems geteilt. Auf der einen Seite liegt der größere, gut frequentierte westliche Innenstadtbereich. Damit auch das östliche Quartier auf der anderen Seite attraktiver wird, haben engagierte Akteure 2005 die ISG Emsquartier unter anderem mit Fördermitteln als Verein gegründet. Das Quartier ist allerdings sehr heterogen: Zur ISG gehört ein Teil der Fußgängerzone und etwas abseits davon eine Stadthalle sowie das heutige EMS-Einkaufscenter, ehemals ein Real-Markt. Weil der Eigentümer des Real-Standorts eine bessere Anbindung an die Fußgängerzone anstrebte, schloss er sich mit weiteren Immobilienbesitzern, Dienstleistern und Handeltreibenden zusammen. Schließlich wurde ein Fachbüro zum Aufbau der ISG eingeschaltet. Die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen wurden aber erst nach der Gründung geschaffen. Im Gegensatz zu typischen BIDs sind es bei uns nicht nur Eigentümer, sondern auch Gewerbetreibende, die hier gemeinsam finanzielle Verantwortung übernehmen. Und die Quartiersgemeinschaft entschied sich, das Ganze auf freiwilliger Basis weiterzuführen.

Was waren die Gründe dafür?

» Insgesamt besteht das Quartier aus rund 100 Immobilieneigentümern und über 100 gewerblichen Nutzern. Es sind aber nur rund 30 Mitglieder zusammengekommen, die die Maßnahmen der ISG finanzieren. Die handelnden Akteure sahen damals aufgrund der Größe und der heterogenen Struktur keine Chance, die nötige Anzahl an Eigentümern zu gewinnen. Zumal jeder gewillt sein muss, sich ehrenamtlich zu engagieren, Vereinsaufgaben zu übernehmen und Geld zu investieren.

Wie unterstützt die Wirtschaftsförderung diesen Prozess?

» Wir von der EWG begleiteten das Projekt von Beginn an. Unser Citymanagement stellt die Geschäftsstelle für die ISG. Wir bereiten beispielsweise die Jahresmitgliederversammlung vor, organisieren und koordinieren alle nötigen Abläufe. Als erster Ansprechpartner übernehme ich weitere Dienstleistungen für die Quartiersgemeinschaft. Und weil ich auch an den Vorstandssitzungen teilnehme, kann ich darauf einwirken, dass alles möglichst eng mit der Stadt abgestimmt ist.

Wie erfolgreich ist das Engagements der Quartiersgemeinschaft?

» Zum einen gibt es sichtbare Erfolge, etwa durch gepflegte Grünanlagen, zusätzliche Sitzgelegenheiten, durch Aktionen und Veranstaltungen. Dazu zählen Nikolaus-Markt, Weihnachts- oder Frühjahrsdekoration und eine begehbare Riesentanne. Und es gib diverse Themenformate wie etwa einen Senioren-Einkaufstag. Zum anderen hat man auch bauliche Missstände thematisiert und – unterstützt durch Fördermittel – eine städtebauliche Masterstudie in Auftrag gegeben, an der sich bis heute auch die Stadtplanung orientiert. Dadurch konnten städtebauliche Entwicklungen forciert werden und es sind Neubauten entstanden, die das Quartier aufgewertet haben. Ferner hat die ISG durch ihr Engagement eine wichtige Stimme bekommen, die von der Öffentlichkeit, der Stadt und der Politik ernst genommen wird. So gibt es inzwischen das Format „Dialog Handel trifft Politik“. All das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl der Akteure und gibt Kraft für weitere Revitalisierung und Entwicklungsmaßnahmen.

Wie sieht es mit zusätzlicher finanzieller Unterstützung aus?

» In der Anfangszeit gab es eine Landesförderung, die nach einigen Jahren ausgelaufen ist. Das hat sich natürlich bemerkbar gemacht. Mittlerweile hat die Stadt Rheine wieder einen „Verfügungsfonds Rahmenplan Innenstadt“ aufgelegt. Hier können private Initiativen eine 50-Prozent-Förderung erhalten. Jenseits von Fördermitteln und Vereinsbeträgen wird natürlich immer geschaut, ob sich über Sponsoren, Anlieger und ansässige Unternehmen noch zusätzliches Geld einsammeln lässt. Das ist harte Arbeit und klappt je nach Projekt mal mehr, mal weniger gut.

Wenn man das Projekt heute noch einmal starten könnte, würden Sie zur freiwilligen Variante raten oder zum typischen BID mit geregelten Abgaben aller Eigentümer?

» Das ist eine spannende Frage. Ich denke, ich würde die zweite Option durchaus in Betracht ziehen, weil am Ende alle im Quartier gefordert sind. Wenn man startet und den Eigentümern ein vernünftiges Maßnahmen- und Finanzierungskonzept vorlegt, bestehen aus meiner Sicht gute Chancen, die Immobilieneigentümer von den Vorteilen zu überzeugen. Auch die ISG Emsquartier hatte natürlich ein gutes Maßnahmen- und Finanzierungskonzept. Damals sah man aber nur die Option der Weiterführung des Projektes auf freiwillige Basis. Im Nachgang wäre es schwierig geworden, noch einmal mit anderen Vorzeichen neu zu starten. Außerdem hat die ISG von Jahr zu Jahr Projekte entwickelt, die am Anfang noch gar nicht absehbar waren. Eine freiwillige ISG ermöglicht dann wieder mehr Flexibilität als BIDs, die auf bestimmte Zeiten festgelegte Maßnahmenpläne vorweisen müssen. Letztendlich hängt vieles auch immer vom Zuschnitt des entsprechenden Quartiers ab und ob man tatsächlich alle auf bestimmte Maßnahmen und das gemeinsame Ziel hin ausrichten kann, damit am Ende alle der Satzung zustimmen können. Je größer und heterogener das Quartier, desto schwieriger scheint es mir, das zu erreichen.

Wie geht es mit der ISG weiter?

» Die ISG wird ohne Frage weiter benötigt, wenn auch die Mitgliedergewinnung zukünftig durchaus eine Herausforderung sein kann. Ferner stehen Generationswechsel und Nachfolgeregelungen in den Vorständen der privaten innerstädtischen Vereine in Rheine an. Verbunden ist damit die Frage: Wer kümmert sich zukünftig mit dem gleichen Engagement um die Projekte wie die Vorgänger? Als Konsequenz daraus gibt es Tendenzen, das Ganze wieder mehr zu zentralisieren und Strukturen zu straffen, die den Aufwand für die einzelnen Ehrenamtlichen verringern. Im Moment hat unsere ISG allerdings eine vernünftige Struktur, die auch fortgeführt wird.

Was sind für Sie die grundsätzlichen Erfolgskriterien für derartige Projekte?

» Es braucht vor allem private Akteure, die ihr Quartier mit Engagement nach vorne bringen wollen und dabei einen langen Atem haben. Damit dieses Engagement nicht ins Leere läuft, bedarf es zusätzlicher Unterstützung. Ob durch eine Wirtschaftsförderung und durch jemanden aus der Stadtverwaltung: Gefragt ist ein guter Ansprechpartner, der als Lotse fungiert und die Standortgemeinschaft an die Hand nimmt. Ferner erhöhen natürlich Fördergelder die Erfolgsaussichten. Und im Sinne der Sichtbarkeit und Mitgliedergewinnung ist es wichtig, dass man zügig die ersten kleinen Projekte auf den Weg bringt. Zumal größere städtebauliche Maßnahmen zeitintensive Herausforderungen darstellen, wo viele Akteure involviert sind und große Hürden überwunden werden müssen. Trotzdem kann ich nur mit Nachdruck für diese Art der privaten Initiative werben.


Titelbild: Luftbild ISG „Emsquartiers in Rheine“ © EWG Rheine