„Ich habe viel Vertrauen in Menschen.“
Klaus Mohrs über Bürgernähe, Frauenfußball und die vielfältigen Qualitäten einer oft unterschätzten Stadt
Mit welchen Zielen sind Sie am 1. Januar 2012 als Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg angetreten?
» Ein zentrales Thema war die Wohnraumbeschaffung, weil Wolfsburg 2011 erstmals bei der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze die Marke 100.000 überschritten hatte. Weitere Schwerpunkte waren der Verkehr und schließlich die Bildung. Dieses Thema hat mich schon die dreißig Jahre* vor meiner Amtszeit als Oberbürgermeister beschäftigt. Vor allem wollte ich die Modernisierung von Schulen und den Ausbau der Kitas vorantreiben. Darüber hinaus war es für mich wichtig, der Politikverdrossenheit der Menschen entgegenzuwirken, indem ich Präsenz zeige, beispielsweise im Rahmen der Stadtteilabende „Mit Mohrs Reden“. Ich glaube immer noch: Wenn man aus dem Rathaus rausgeht und mit den Menschen redet, kommt man klüger ins Rathaus zurück.
Auf welche Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger sind Sie besonders stolz?
» Es hat mich immer sehr gefreut, wenn die Leute sagten: ‚Herr Mohrs, wir haben an der einen oder anderen Stelle eine andere Meinung als Sie. Aber wir finden es gut, dass Sie gekommen sind, um mit uns zu reden. Jetzt verstehen wir, warum Sie wie entscheiden.‘ Als Oberbürgermeister freut man sich schon über persönliches Lob oder wertschätzendes Feedback für die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen. Mir war es immer wichtig klarzumachen, dass Oberbürgermeister und Rat einen Interessensausgleich finden müssen.
Wie haben Sie das Amt des Oberbürgermeisters geprägt?
» Ich glaube, viele haben in mir einen Oberbürgermeister erlebt, mit dem man reden kann. Ich liebe es, samstagmorgens über den Wochenmarkt zu gehen und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Auch im Rathaus war es für mich selbstverständlich, auf dem Flur anzuhalten und zu fragen, wie es geht. Mir war immer wichtig zu zeigen: Ich habe viel Vertrauen in Menschen. Und ich nehme sie ernst. Ich kann allerdings auch auf stur schalten, wenn jemand nicht wirklich mit mir diskutieren will und nicht bereit ist, zuzuhören.
Politisch gesehen wurde deutlich, dass ich ein Oberbürgermeister bin, der nicht aus der Wirtschaft kommt, sondern aus dem sozialen Bereich und der dort Schwerpunkte setzt. Wirtschaft und Soziales sind für mich keine Gegensätze. Ohne eine florierende Wirtschaft geht es nicht. Auch mit Volkswagen habe ich einen partnerschaftlichen Umgang gefunden – zum Aufsichtsrat und Vorstand genauso wie zum Betriebsrat. Außerdem bin ich ein sportbegeisterter Oberbürgermeister.
So sportbegeistert, dass Sie bei jedem Wetter mit dem Rad ins Büro fahren?
» Außer bei Schnee, weil die Gefahr eines Sturzes zu groß ist. Ich bin begeisterter Radfahrer und das aus vielen Gründen. Erstens tut es der Seele gut, wenn man vor und nach langen Tagen durch die frische Luft fährt. Zweitens ist das Radfahren für den Körper so etwas wie eine Lebensversicherung, wenn man zwölf, 13 Stunden täglich im Büro sitzt. Last, but not least tue ich damit etwas für die Umwelt. Gerade für den alltäglichen Weg gibt es nichts Besseres als das Fahrrad.
Sie sind großer Fan von Frauenfußball und Eishockey. Warum?
» Nachdem ich ein-, zweimal mit meiner Frau zum Frauenfußball gegangen bin, hat es uns gepackt. Es ist ein tolles Umfeld, ein tolles Team, hochinteressante Persönlichkeiten. Ich gehe aber auch gerne zum Männerfußball.
An Eishockey fasziniert mich, dass es nie langweilig wird. Das Spiel ist unglaublich spannend und schnell und kann jederzeit noch mal kippen.
Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?
» Ich hoffe, dass mir eine gute Zeit bleibt, um meinen neuen Lebensabschnitt zu genießen, der nicht von morgens früh bis abends spät durch Termine geprägt ist. Ich freue mich darauf, auch mal eine Stunde länger am Frühstückstisch zu sitzen oder einfach spontan mit dem Fahrrad loszufahren. Ich würde gerne noch weitere Länder und Kulturen kennenlernen, und ich werde sicherlich die Zeit mit meinen Enkelkindern genießen.
Sie kommen ursprünglich aus Koblenz. Werden Sie trotzdem in Wolfsburg bleiben?
» Ich bin längst Wolfsburger geworden. Ich fand die Stadt schon in den 80ern schön und habe mich hier schnell wohlgefühlt. Das Tolle an Wolfsburg ist, dass die Stadt viel Natur hat und man wunderschöne Trainingsstrecken zum Laufen und Radfahren findet. Auf der anderen Seite gibt es die Champions League im Fußball, es gibt Eishockey, man kann Konzerte und Veranstaltungen besuchen, beispielsweise in der Autostadt oder im Hallenbad. Die bunte Mischung macht’s.
Was wünschen Sie Wolfsburg für die Zukunft?
» Ich hoffe, dass Volkswagen weiterhin Erfolgsgeschichte schreibt und dem Top-Management immer bewusst ist, wo der Konzern seine Wurzeln hat. Ich wünsche mir, dass wir weiterhin eine erfolgreiche Sportstadt sind – im Spitzen- wie im Breitensport. Wichtig finde ich, dass wir ein kommunales Krankenhaus behalten und dass wieder mehr Geld in die Stadtkasse gespült wird, damit wir uns das, was wir uns in der Vergangenheit leisten konnten, auch weiterhin leisten können: gute Schulen und Kindergärten, ein Theater, ein phaeno, das seinesgleichen sucht, und das Badeland. Außerdem wünsche ich der Stadt weiterhin Internationalität, die ein stückweit zum Markenzeichen dieser Stadt geworden ist.
Was werden Sie nach Ihrer Karriere als Oberbürgermeister tun?
» Das Private wird im Vordergrund stehen. Ich werde mich in Wolfsburg politisch aus dem Tagesgeschäft heraushalten und in der SPD noch etwas mitarbeiten. Mit Joachim Franz und einigen anderen möchte ich mich in dem Projekt „Be Your Own Hero“ in Südafrika engagieren.
*Klaus Mohrs wurde 1980 zum Stadtjugendpfleger gewählt, übernahm 1990 die Leitung des städtischen Jugendamtes und wurde 1999 in den Verwaltungsvorstand als Stadtrat für Jugend, Soziales, Ausländer, Klinikum berufen. Ab 2001 verantwortete er als Erster Stadtrat die Ressorts Jugend, Schule, Integration, Klinikum, Personal, Schwefelbad.
Titelbild: © Roland Hermstein