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Weitsicht: Was bringt unternehmerische Nachhaltigkeit

Den Energieverbrauch reduzieren, eine Rollstuhlrampe, die Weihnachtsfeier für die Mitarbeiter, Sponsoring für den Sportverein, dazu ein schön gestalteter Nachhaltigkeitsbericht – wie weit sollte unternehmerische Nachhaltigkeit tatsächlich gehen, damit sie sich für alle Beteiligten rechnet?

Die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland- Kommission) formulierte 1987 in ihrem Report „Unsere gemeinsame Zukunft“ erstmals das Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Nachhaltig ist demnach eine Entwicklung, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“. Dementsprechend müssten weltweit die Ziele wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Entwicklung im Hinblick auf Dauerhaftigkeit definiert werden. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff der Corporate Social Responsibility (CSR, Begriffsdefinitionen, Seite 15) populär. Inzwischen gilt CSR schon lange nicht mehr nur als Containerbegriff für gute Taten, sondern umfasst die verantwortliche Organisation der eigenen Geschäftstätigkeit sowie nachhaltige Geschäftsmodelle, verknüpft gezielt Wertschöpfungsaktivitäten und gesellschaftlichen Nutzen. All das basiert auf der Einsicht, dass erst eine ganzheitliche Strategie langfristig Mehrwerte für Unternehmen entfaltet. Dieser Ansatz findet sich in ganzheitlichen Wirtschafskonzepten (Corporate Sustainability), die darauf zielen, das Kerngeschäft grundsätzlich sowohl sozial und ökologisch verantwortlich als auch wirtschaftlich erfolgreich zu betreiben.

In jüngster Zeit rückt die unternehmerische Verantwortung noch stärker ins Zentrum des öffentlichen Interesses – unabhängig von der Größe eines Unternehmens. Schließlich trifft die 2017 eingeführte EU-weite Berichtspflicht für kapitalmarktorientierte Großunternehmen über Lieferkette und Geschäftsbeziehungen auch mittlere und kleine Firmen. Gerade bei den kleineren spielt der Nachhaltigkeitsgedanke noch eine eher untergeordnete Rolle, stellt Nick Lin-Hi, Professor für Wirtschaft und Ethik, fest. „Nicht selten ist in diesem Kreis hinter vorgehaltener Hand zu hören, CSR sei ein nettes Marketinginstrument der großen Unternehmen, welches aber nicht zum Mittelstand passe. Hinzu kommt ein fehlendes Wissen sowohl um die betriebswirtschaftliche Bedeutung von gesellschaftlicher Verantwortungsübernahme als auch um dessen strategische Dimension.“ Vor allem werde, so der Wissenschaftler, die ökonomische Bedeutung einer umfassenden CSR-Strategie unterschätzt. Wer hier nicht gut aufgestellt ist, verschlechtert beispielsweise seine Chancen bei der Teilnahme an Ausschreibungen, in denen CSR-Kriterien abgefragt werden.

Vor allem aber, das belegen empirische Untersuchungen, wirken sich nachhaltige Wirtschaftskonzepte positiv auf den Personalbereich aus und liefern im Wettbewerb um Fachkräfte gute Argumente. Immer mehr Mitarbeiter wollen für ein Unternehmen tätig sein, das gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Das Unternehmen profitiert im Gegenzug von der höheren Motivation und Leistungsfähigkeit des Personals, betont Experte Nick Lin-Hi. Dies „schlägt sich etwa in geringen Fehlzeiten, proaktiven Verhaltensweisen am Arbeitsplatz, verbesserter Arbeitsqualität oder höherer Kreativität nieder. In Zeiten der Digitalisierung sowie der damit verbundenen Neugestaltung von Arbeitswelten gehören positive Mitarbeitereinstellungen zudem zu den kritischen erfolgsrelevanten Faktoren, da sie die Bereitschaft für Veränderungsprozesse erhöhen.“

Nicht zuletzt sind es aber auch die Kunden, die sich zunehmend dafür interessieren, unter welchen Bedingungen ein Produkt hergestellt wird. So laufen Unternehmen, die nicht entsprechend nachhaltig agieren, Gefahr, vom Kunden abgestraft zu werden. Schließlich können mit ganzheitlichen Nachhaltigkeitskonzepten neue Marktsegmente erschlossen werden. Ganz weit vorn sind dabei Produkte, die einen möglichst hohen ökologischen und/oder sozialen Mehrwert bieten. Entsprechend diesen Potenzialen und Perspektiven begreifen auch immer mehr kleinere Unternehmen nachhaltiges Wirtschaften als Investition und Instrument der Unternehmenssteuerung, das zu einer Win-win-Situation führt – für Unternehmen und Gesellschaft.


WAS STECKT HINTER DEN BEGRIFFEN?
Corporate Responsibility (CR) umschreibt als umfassender Begriff die unternehmerische Verantwortung. Er bezieht sich auf jeden Einfluss, den die Unternehmenstätigkeit auf die Gesellschaft und die Umwelt hat. CR beinhaltet die Konzepte der Corporate Social Responsibility (CSR), der Corporate Governance (CG) und der Corporate Citizenship (CC).

Unter CSR sammeln viele Firmen alles, was sie an Gutem tun: Kultur- und Sportveranstaltungen oder Naturlehrpfade, Spenden, Sponsoring und die Gründung von Stiftungen. Derartige gute Taten sind aber keine Belege für CSR, sondern für Corporate Citizenship (CC), also für bürgerschaftliches Engagement. CSR dagegen betrifft das Kerngeschäft und ist anders als CC keine zusätzliche Aktivität, sondern die Art und Weise, wie das Kerngeschäft betrieben wird. Es geht also nicht darum, was mit den Gewinnen gemacht wird, sondern wie die Gewinne erzielt werden – idealerweise umweltverträglich, sozial verantwortlich und zugleich ökonomisch erfolgreich. Während aber häufig noch CSR explizit die soziale und ökologische Dimension anspricht und die Wirtschaftlichkeit als Rand-oder Nebenbedingung berücksichtigt, versteht Corporate Sustainability (CS) dagegen alle drei Dimensionen als eine Einheit. Das heißt, alle Produkte und Dienstleistungen dienen einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise.

Der Begriff Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development) hat sich seit der ersten UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro zunehmend als Leitbild etabliert. Die vom Deutschen Bundestag eingerichtete Enquetekommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ entwickelte 1995 das Drei-Säulen-Modell einer nachhaltigen Entwicklung. Es vereint ökologische, ökonomische sowie soziale Ziele und stellt somit den interdisziplinären Charakter von Nachhaltigkeit heraus, wobei sich im Idealfall die drei Dimensionen in einer guten Balance befinden.

DIE UN-NACHHALTIGKEITSZIELE
Mit der im Jahr 2015 verabschiedeten Agenda 2030 hat sich die Weltgemeinschaft unter dem Dach der Vereinten Nationen zu 17 globalen Zielen für eine bessere Zukunft verpflichtet. Leitbild der Agenda 2030 ist es, weltweit ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu bewahren. Dies umfasst ökonomische, ökologische und soziale Aspekte. Dabei unterstreicht die Agenda 2030 die gemeinsame Verantwortung aller Akteure: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft – und jeder einzelne Mensch.

DER RAT FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG BIETET INFORMATIONEN, PROJEKTE UND VERANSTALTUNGEN ZUM THEMA

»»www.nachhaltigkeitsrat.de/nachhaltige-entwicklung/nachhaltiges-wirtschaften-sustainable-finance

LEITLINIEN
Die Europäische Kommission hat Leitlinien und Standards erarbeitet, die jedem Unternehmen als Anhaltspunkte für die Erarbeitung entsprechender Strategien oder Maßnahmen im konkreten Kerngeschäft dienen können. Sie reichen von Umwelt- sowie Arbeitnehmer- und Sozialbelangen über verantwortungsvolles Marketing und die Achtung der Menschenrechte bis hin zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung.

»»www.csr-in-deutschland.de

TESTEN SIE IHR UNTERNEHMEN
Im Zusammenhang mit dem von ihm ausgelobten CSR-Preis bietet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen CSR-Self-Check an. Dieser gibt Unternehmen jeder Branche und Größe eine erste Orientierung, wie nachhaltig sie aufgestellt sind. Direkt im Anschluss an den ausgefüllten Selbsttest zum CSR-Engagement bekommen Unternehmen eine Auswertung, wo sie stehen und welche nächsten Schritte möglich sind, um ihr CSR-Engagement weiterzuentwickeln. Der Self-Check dient lediglich als grober Richtungsweiser und liefert keine umfassende Analyse der Nachhaltigkeitsaktivitäten von Unternehmen.

»»www.csr-in-deutschland.de
(Unternehmen/CSR-Self-Check)

IHK WOLFSBURG BIETET INFORMATION UND BERATUNG ZUM NACHHALTIGEN WIRTSCHAFTEN
»»www.ihk-lueneburg.de

Quelle: Lexikon der Nachhaltigkeit der IHK Nürnberg, www.mittelstandswiki.de, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, www.csr-in-deutschland.de