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MEHR MUT – MEHR ZUKUNFT

Experten-Interview mit Dr. Carl Naughton

Der Wirtschaftspsychologe Dr. Carl Naughton betreibt Praxisforschung, indem er wissenschaftliche Erkenntnisse praxisnah in den Unternehmensalltag überträgt und folgende Fragen beantwortet: Warum hilft Neugier beim erfolgreichen Umgang mit Neuland? Warum hadern manche, während andere handeln? Welche Rolle spielt der Zukunftsmut beim Neu-, Anders- und Umdenken? Carl Naughton liefert auf der Bühne, vor der Kamera und im Seminarraum wichtige Impulse und bietet erste Hilfe bei Veränderungsmüdigkeit und Umsetzungsblockaden.

Foto: © Braincheck

Sie haben zum Thema „Neugier“ geforscht und unterstützen Unternehmen dabei, Neugier weiter zu entwickeln. Warum ist Neugier so wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg?

„Grundsätzlich belegen Forschungsergebnisse, dass Neugier ein wesentlicher Treibstoff für Innovation ist. Dabei spielen vier Komponenten eine Rolle, die den Erfolg von Unternehmen wahrscheinlicher machen. So ist 1. Entdeckerfreude eine wichtige Voraussetzung.  2. Antrieb durch Wissenslücken: Manche Menschen machen sich nicht aus „Freude“ auf die Suche nach dem Neuen, sondern weil es sie wurmt, dass ihnen eine Info fehlt, um ein Problem zu lösen. 3. Offenheit für die Ideen anderer: Sie steht für die Fähigkeit, die eigene Idee zur Seite zu legen und die Idee des anderen, auch wenn sie ganz anders ist, für ebenso möglich oder richtig zu halten. Dazu kommt 4. Stresstoleranz: Wer Neuland betritt, muss auch bereit sein, sich mit möglichen Widerständen auseinandersetzen zu können. Hier gilt es, Neugier auszuleben, indem man Probleme anders als bisher angeht und neue Wege beschreitet. Auf diesen vier Säulen kann sich ein Unternehmen stützen und entfalten. Wir können nachweisen, dass wir nur aufgrund unserer Neugier in einer Welt überleben können, in der wir ständig neue Ideen entwickeln müssen.“

Welche Rolle spielt Neugier im Zusammenhang mit Mut?

„Das bringt ein Zitat des Polarforschers Roald Amundsen gut auf den Punkt: „Curiosity needs Courage“ – es braucht Mut, um neugierig zu sein. Wir konnten nachweisen, dass Neugier dazu führen kann, dass Menschen mehr und ungewöhnlichere Ideen haben. Aber Innovation besteht nicht aus der Idee allein. Vielmehr kommt es darauf an, andere für seine Idee zu begeistern und diese Idee dann auch tatsächlich umzusetzen. In diesem Zusammenhang sind wir auf das „Psychological Capital“ von Fred Luthans gestoßen, dass die Unterschiede von Menschen im Innovationsverhalten extrem klar vorhersagen kann. Auf dieser Basis haben wir unser Konzept „Zukunftsmut“ entwickelt. Mit bestimmten Techniken können wir Menschen nicht nur dabei unterstützen, gute Ideen zu entwickeln, sondern auch gute Umsetzer zu sein – damit Transformationen und Innovationen gelingen.“

Die Formel für mehr Zukunftsmut lautet: Zuversicht als Denkmuster nutzen, Selbstwirksamkeit erhöhen, Widerstandskraft sozial verankern und den realistischen Optimismus stärken.

Carl Naughton

Was steckt hinter dem psychologischen Kapital?

„Dieses Konstrukt bezieht sich auf vier Dimensionen, die sich bedingen und ergänzen: 1. der Zuversicht, das ist die Überzeugung, dass es viele Wege zum Ziel gibt und dass wir die auch finden. 2. die Widerstandskraft, die Fähigkeit, weiterzumachen, wenn wir aus Versehen auf dem Holzweg waren. 3. die Selbstwirksamkeit – Zukunftsmut entsteht, wenn wir glauben, dass wir die richtigen Skills haben und den 4. realistischen Optimismus – Das ist unsere Überzeugung, dass wir die Quelle unseres Erfolges sind und nicht die Umstände oder der Zufall. Wir können inzwischen belegen, dass Unternehmen, die sich in diesen vier Dimensionen verbessern, entwicklungsfähiger sind als andere und von einem Return on Investment profitieren.“

Welche Techniken stärken die Selbstwirksamkeit und den realistischen Optimismus?

„Unsere Selbstwirksamkeit speist sich aus verschiedenen Quellen. Eine davon nennen wir in der Fachsprache „verbale Persuasion“, also die Wirkmacht von Worten. Im Kern geht es darum, Mitarbeiter und Kollegen eine Art Skill-Feedback zu geben, sie klar darauf aufmerksam zu machen, welche vielfältigen Fähigkeiten sie mitbringen, um eine neue, unbekannte Aufgabe, ein neues, unbekanntes Projekt zu stemmen. Wenn zum Beispiel Teamleiter das machen, kann man die Steigerung an Arbeitsengagement und Leistungsbereitschaft in den Teams regelrecht messen. Schließlich lässt sich die Komponente des realistischen Optimismus trainieren, indem man drei Aspekte im Auge behält: 1. Einfluss: Habe ich das Ergebnis entscheidend mit beeinflusst oder war es ein externer Einfluss? 2. Häufigkeit: Verhalte ich mich manchmal oder immer so, dass ein bestimmtes Ergebnis eintritt? 3. Zutreffend: Hilft mir ein bestimmtes Verhalten manchmal oder immer, also bei Teamsitzungen ebenso wie beim Pokern? Wer diese drei Aspekte im Blick hat, kann gut abschätzen, wie erfolgreich sein zukünftiges Verhalten sein könnte. Das gilt dann genauso gut für Situationen, in denen man eine konträre Meinung in einem großen Meeting äußert, eine wichtige Präsentation hält oder eine ungewöhnliche Idee vorstellt.“

Carl Naughton hat unter anderem Bücher zu den Themen „Zukunftsmut“ und „Neugier“ veröffentlicht. Darüber hinaus finden
Sie weitere Informationen im Web unter: carlnaughton.de.
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Gerade auch mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen: Was würden Sie Wolfsburger Unternehmen in Bezug auf mehr Zukunftsmut empfehlen?

Eine Kultur des Zukunftsmutes entsteht, wenn man Menschen ermutigt, in Alternativen zu denken und diese Alternativen auch weiterzudenken, ohne vorschnell eine auszuschließen. Auch kleine Unternehmen könnten beispielsweise Ideenwettbewerbe starten. Wer die Widerstandskraft in seinem Unternehmen erhöhen möchte, sollte Emotionen und Befindlichkeiten ernst nehmen und diese unbedingt ansprechen. Darüber hinaus sollten Mitarbeiter unaufgefordert in ihren Kompetenzen bestärkt werden. Diese positive Verstärkung führt dazu, dass der Bestärkte spürt: „Wenn ich davon noch mehr mache, dann trägt das zu unserem Erfolg bei“. Schließlich empfehle ich gerade kleineren Unternehmen: Schaut mal genau nach, was wesentliche Gründe für eure Erfolge waren und sind. Und stärkt dann die Menschen und Prozesse, die diese Erfolge hervorgebracht haben. Wer die Erfolgstreiber des Unternehmens ausmacht und sie auf die aktuelle Situation abwandelt und weiterentwickelt, erhöht seine Erfolgswahrscheinlichkeit. Mit diesen Ansätzen schaffen Unternehmen den Nährboden dafür, dass Menschen auch vor dem aktuellen Hintergrund wieder neue Ideen kreieren. Neugier und Mut sind dabei besonders gefragt.