Stadt + Entwicklung

Upcycling

Nachhaltiges Design von Zweitwerk

Sie sind schlicht, hochwertig und nachhaltig: bunte Kerzenständer und Garderobenknöpfe aus Autoteilen für zu Hause. Designprodukte mit einer besonderen Geschichte. Die Produkte von Zweitwerk sind aus Ausschussteilen und -materialien hergestellt, die für den Automobilbau nicht mehr verwendet werden dürfen.

BEWÄHRUNGSPROBE
Hinter dem Start-up Zweitwerk stehen die Volkswagen-Mitarbeiter Lilly Gatz und Robin Rössler. Lilly Gatz ist fasziniert davon, neue Ideen und Produkte zu entwickeln. Als studierte Betriebswirtin hat sie die Wirtschaftlichkeit im Blick, ihre Leidenschaft sind Farben, Materialien und Formen. Mit Zweitwerk hat die Expertin für Entrepreneurship ihre Passion zum Beruf gemacht. Robin Rössler ist Gründer von Zweitwerk. Mit seiner Begeisterung für Technik und Fertigungsprozesse entwickelte er die innovative Start-up-Idee innerhalb von Volkswagen. Sein Engagement und sein Herzblut sind die treibenden Kräfte für die stetige Entwicklung und Optimierung der nachhaltigen Designobjekte.

Ende 2018 konnte der Industriemechaniker und Maschinenbauer seine Idee im Rahmen des Intrapreneurship-Programms von Volkswagen präsentieren. „Wie in der ‚Höhle der Löwen‘ musste ich vor dem Gesamtbetriebsrat und unserem Beschaffungsvorstand meine Geschäftsidee vorstellen. Unter über hundert Bewerbern belegte mein Projekt den fünften Platz. Die Geschäftsidee passte offensichtlich perfekt zur Nachhaltigkeitsstrategie des Konzerns. Damit war klar: Volkswagen wollte meine Idee ins Unternehmen einbinden. Anschließend bot VW uns die Chance, erfolgreiche Start-ups und ihre Erfolgsgeschichten kennenzulernen.“

Kerzenständer von Zweitwerk
Kerzenständer © Zweitwerk
Garderobe von Zweitwerk
Garderobe © Zweitwerk

DURCHSTARTEN
Robin Rössler feilte weiter an Strategie und Businessplan, der später erneut auf Wirtschaftlichkeit und Zielgruppentauglichkeit geprüft wurde. Danach stellte er Kolleginnen und Kollegen in einer Online-Videopräsentation seine Idee vor. Wer sich dafür begeistern konnte, war eingeladen, ihn in den Bereichen Vertrieb, Technik, Beschaffung, Kommunikation oder Design zu unterstützen. „Lilly Gatz hat sich noch am gleichen Tag gemeldet. Sie arbeitete damals in der Beschaffung. Eine Stunde später habe ich sie in Wolfsburg getroffen, und seitdem machen wir Zweitwerk zu zweit. Ich schätze besonders ihre Kreativität sowie ihren klaren Fokus auf wirtschaftliche und strategische Aspekte.“ Das war 2019, und seit Januar 2021 sind beide hauptberuflich Intrapreneure und kümmern sich hundertprozentig um Zweitwerk. Lilly Gatz befindet sich derzeit in Elternzeit.

„Es ist ein großer Organisationsaufwand, die Teile, die normalerweise weggeworfen werden, zu finden und zu sortieren, bevor sie wieder aufbereitet werden können“, erläutert Robin Rössler. „Inzwischen haben wir einen guten Überblick über die Bandbreite der Ausschussteile aus allen deutschen Werken. Außerdem arbeiten wir mit Designstudenten, Produktdesignern und einer Medienagentur zum Thema Markenbildung zusammen. Und schließlich verfolgen wir nicht nur einen nachhaltigen Ansatz. Wir setzen uns auch dafür ein, dass unsere Produkte von Menschen aus sozialen Einrichtungen der Region gefertigt werden.“

Damit Lilly Gatz und Robin Rössler ihre Zielgruppen überhaupt erkennen und erreichen, wendeten sich die Jungunternehmer an die Wolfsburg AG. „Uns hat das Nachhaltigkeitsthema angesprochen und das engagierte Unternehmerduo, das für seine Idee brennt“, erinnert sich Jasna Fiebig, User Experience Expertin bei der Wolfsburg AG. „Bei unseren Marktforschungen stellen wir den Kunden in den Fokus und sprechen ihn direkt an. Wir analysieren, ob die Produkte tatsächlich gewollt sind und wie es um die Bereitschaft steht, einen bestimmten Preis zu zahlen. Wir haben vor der Befragung drei Personengruppen definiert: Automobilliebhaber, reine Designliebhaber und Menschen mit einem ausgeprägten Nachhaltigkeitsbewusstsein. Online befragt haben wir Volkswagen-Mitarbeiter, aber auch externe Kunden. Aus der aussagekräftigen Stichprobe konnten wir wertvolle Insights ableiten und Zweitwerk hinsichtlich Preis, Produktpalette und Vertrieb mit wichtigen Informationen versorgen.“ Robin Rössler ergänzt: „Dank der Unterstützung der Wolfsburg AG und den Ergebnissen der Marktforschung haben wir eine wichtige Hürde genommen. Jetzt wissen wir, wo wir ansetzen und weitermachen müssen.“

(v. r.) Robin Rössler (Zweitwerk), Jasna Fiebig (Wolfsburg AG) und Christoph Kaufmann (WMG) zeigen die Zweitwerk-Produkte im Wolfsburg Store
(v. r.) Robin Rössler (Zweitwerk), Jasna Fiebig (Wolfsburg AG) und Christoph Kaufmann (WMG) zeigen die Zweitwerk-Produkte im Wolfsburg Store © Boris Baschin

VERTRIEBSWEGE
Aktuell kann man Zweitwerk-Produkte im Volkswagen „Shop and More“ am Tor 17 erwerben oder im Wolfsburg Store der WMG am Bahnhof kaufen. Die ersten Produkte, die dort angeboten werden, sind ein Garderobenknopf in fünf Farben und ein Kerzenständer aus einer Achshülse. Das nächste Produkt: ein Schlüsselanhänger aus einem Zahnriemen. Für die Design-Objekte hat Zweitwerk ein eigenes Regal entwickelt. Inzwischen können die Produkte online (www.shop-wolfsburg.de) geordert werden. „Für unser Sortiment im Wolfsburg Store sind wir stets auf der Suche nach Produkten, die einen hohen Wolfsburg-Bezug haben. Der Upcycling-Gedanke sowie die Möglichkeit, ein Stück Volkswagen mit nach Hause zu nehmen, machen die Produkte auch für Wolfsburgerinnen und Wolfsburger interessant. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit Robin und sind gespannt, welche Produkte er mit seinem Team zukünftig noch entwickeln wird“, betont Christoph Kaufmann, WMG-Bereichsleiter Tourismus.

Im März 2022 startet der Verkauf der recycelten Produkte in der Autostadt, wo auch der Zweitwerk-Imagefilm sowie der Herstellungs- und Ausstellungsprozess im Volkswagen Pavillon zu sehen ist. „Darüber hinaus planen wir den Verkauf unserer Objekte über Drive, die
Konzernrepräsentanz von Volkswagen in Berlin“, berichtet Robin Rössler. „Auch die ‚Classic Parts‘ wollen uns in ihr Programm aufnehmen. Wir haben zudem die Möglichkeit, auch den Volkswagen-Händlern unsere Produkte anzubieten. Nicht zuletzt behalten wir das B2B-Geschäft fest im Blick.“

Derzeit arbeitet das Start-up an einem eigenen Online-Shop und seiner Social-Media-Präsenz. Als eine der ersten Intrapreneure aus dem Innovationsfonds 2 von Volkswagen hoffen die Jungunternehmer darauf, schon bald noch stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Gleichzeitig gilt es, zahlreiche Details zu klären, damit Zweitwerk auf rechtssicherem Boden steht. „Wir hoffen, kontinuierlich mehr Rückenwind zu bekommen“, sagt Rössler. „Obwohl wir schon zwei Jahre am Start sind, ist es doch der erste mögliche Ort, an dem wir überhaupt verkaufen dürfen.“ Die Fortsetzung der Geschichte ist bereits vorgezeichnet: Weitere Designobjekte – wie Wanduhren und Beistelltische – sind in Arbeit.


Titelbild: Robin Rössler und Lilly Gatz. © Zweitwerk