Wer sind die Chefs von morgen?
Nachfolger im Handwerk gesucht
Die Handwerksbranche boomt – zumindest was die Nachfrage angeht. Auf der anderen Seite sieht es weniger rosig aus, denn gesellschaftliche Entwicklungen wie der demografische Wandel haben einen bedeutenden Einfluss auf die Zukunft vieler Handwerksbetriebe. In den nächsten fünf Jahren werden laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks mindestens 125.000 Familienbetriebe in neue Hände übergeben. Dabei wird es zu einer immer größeren Herausforderung, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Für diese Entwicklung spielt auch die derzeitige Situation auf dem Arbeitsmarkt eine bedeutende Rolle: In vielen Branchen und so auch im Handwerk befinden sich die Fachkräfte durch den Mangel an qualifiziertem Personal in der glücklichen Position, aus zahlreichen Angeboten das Beste auswählen zu können und für eine sichere Zukunft zu sorgen. Das Unternehmerdasein hingegen findet keinen besonders großen Anklang: Laut KfW-Gründungsmonitor ist die Anzahl der Deutschen, die die Selbstständigkeit einem Angestelltenverhältnis vorziehen, seit Jahren rückläufig. 2022 würden sich nur 23 % der 18–67-Jährigen unabhängig von ihrer aktuellen persönlichen Situation für die berufliche Selbstständigkeit entscheiden. Die deutliche Mehrheit von 73 % der Befragten zieht ein Angestelltenverhältnis vor. Auch im Handwerk ist diese Entwicklung erkennbar: 1990 wollten 18 von 20 Schüler aus den Meisterklassen im Handwerk einen eigenen Betrieb gründen oder den familiären übernehmen. Heute verfolgt nur noch etwa eine von 20 Personen dieses Ziel – die deutliche Mehrheit zieht es vor, als Meister im Anstellungsverhältnis zu arbeiten. Welche Chancen und Herausforderungen bietet die Unternehmensnachfolge dennoch und wie steht es um die Zukunft der Handwerksbetriebe?
Chancen und Herausforderungen
Unternehmensnachfolge zeigt, dass eine Selbstständigkeit nicht bei null anfangen muss: Mit der Übernahme eines etablierten Betriebs haben Neueinsteiger den Vorteil, sich nicht erst einen Namen machen und gegen ihre Konkurrenz durchsetzen zu müssen. Von Beginn an Umsätze zu erzielen, ist ein großer Luxus. Die Nachfolger können von den Erfahrungen der Vorgänger, einem eingespielten Team sowie einem Netzwerk an Lieferanten und bestehenden Kundenbeziehungen profitieren. Die Zukunft des Unternehmens ist aufgrund von vorliegenden Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen einschätzbar, die gleichzeitig als Orientierung für die weitere Planung ab dem Zeitpunkt der Übernahme dienen. Studien zeigen, dass eine Übernahme eine attraktive Option für Unternehmer sein kann: Demnach sind weitergeführte Unternehmen nach drei Jahren deutlich erfolgreicher als Neugründungen.
Wo Chancen sind, sind Herausforderungen oft nicht weit. Auf der Kehrseite der Medaille können Übernehmende auf festgefahrene interne Strukturen treffen, die modernisiert werden müssen. Sie treten in große Fußstapfen und haben wenig Zeit, in ihre neue Rolle hineinzuwachsen. Ist der ehemalige Inhaber noch involviert, kann es zu Differenzen kommen. Mitarbeitende und Kunden brauchen ihre Zeit, um sich an die neue Situation zu gewöhnen und Vertrauen aufzubauen. Der Bedarf an Startkapital ist zudem häufig hoch, da ein etabliertes und zukunftsfähiges Unternehmen seinen Preis hat. Hinzu kommen mitunter eine hohe Inhaberabhängigkeit, strukturelle Probleme und Belastungen durch Erbschaft- oder Schenkungsteuer bei familieninternen Übergaben.
Zukunftsperspektiven
Dass das Handwerk an sich eine lukrative und zukunftsfähige Branche ist, steht außer Frage. Um dieses Potenzial auszuschöpfen und am Markt erfolgreich zu bleiben, sind verschiedene Voraussetzungen notwendig:
Mit der Zeit gehen
Um als Betrieb am Markt für potenzielle Mitarbeitende und auch Nachfolgende attraktiv zu bleiben, ist die Bereitschaft für Veränderung unerlässlich. Nicht nur innovative Technologien erfordern Offenheit für Neues, sondern auch veränderte Lebenswahrnehmungen, flexible Arbeitsmodelle und Erwartungen der Gesellschaft.
Beratungsangebote in Anspruch nehmen
Um einen geeigneten Nachfolger oder auf der anderen Seite ein Unternehmen zu finden, stehen Experten zur Verfügung. Diese setzen sich dafür ein, beide Parteien zusammenzubringen und deren Interessen zu vertreten sowie den Übergabeprozess zu begleiten. Mit einer detaillierten Analyse des Unternehmens und einer realistischen Einschätzung der Fähigkeiten und Voraussetzungen auf Nachfolgerseite kann eruiert werden, ob Betrieb und potenzieller Nachfolger zueinander passen.
Junge Menschen begeistern
Selbstständigkeit in Deutschland attraktiver zu machen, ist eine Mission, die schon früh beginnt: Nur in einer Fehlerkultur, in der es erlaubt ist, sich auszuprobieren und ein missglückter Versuch kein Scheitern bedeutet, können sich junge Menschen und angehende Arbeitnehmer entfalten. In lehrenden Institutionen kommen die Schüler häufig kaum mit Unternehmertum und Wirtschaftlichkeit in Berührung und finden keinen Zugang zu diesen Themen.
Wie Nachfolge im Handwerk gelingen kann, zeigen zwei lokale Beispiele.
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