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MUT HABEN, EXPERIMENTE WAGEN!


New-Work-Experte Sven Franke erklärt, warum sich das lohnt

Nach einer klassischen Konzernkarriere mit Führungsverantwortung begleitet Sven Franke heute Organisationen dabei, neue Wege der Veränderung und in der Zusammenarbeit zu gehen. Zu seinen Kunden zählen Konzerne wie kleinere Unternehmen, gemeinnützige Stiftungen und Hochschulen. Gleichzeitig versteht er sich als Treiber neuer Themen des New Work. 2017 erhielt er den „Xing New Work Award“.

Foto: © Nils Hasenau


Warum muss sich die Arbeitswelt dringend wandeln?

» Weil sich die Außenwelt massiv verändert hat. Heute müssen Organisationen sehr viel schneller auf den Kunden reagieren. Und das geht oft nicht mehr mit klassischen Aufbauorganisationen, weil diese zu langsam sind, um angemessene Entscheidungen treffen zu können. Wir erleben in der täglichen Praxis, dass jeder einen Schmerz hat, den er mit den herkömmlichen Mitteln nicht mehr behandeln kann.

Und die Rettung lautet New Work?

» New Work ist der Oberbegriff einer neuen Haltung. New Work ist die angemessene Reaktion auf das, was aktuell Kunden und Mitarbeiter benötigen, damit Unternehmen sich überhaupt erfolgreich entfalten können. Übrigens sind die meisten New-Work-Instrumente gar nicht neu. Viele stammen aus den 1960er-Jahren. Auch das Experimentieren mit neuen Unternehmensformen wie der Gruppenarbeit, heute eher selbst organisierte Teams, ist schon über 50 Jahre alt.

Warum hat es damals nicht funktioniert?

» Weil die Aufbauorganisation perfekt funktioniert hat. Heute ist ein neuer Ansatz aber zwingend notwendig. Dazu kommt, dass Blaupausen aufgrund der zunehmenden Komplexität versagen: Jeder hat andere Kunden, jeder hat andere Mitarbeiter. Deshalb muss jede Organisation ihren eigenen Weg finden.

Welche Rolle spielt Führung dabei?

» Führung galt lange als der einzige Weg, um Karriere zu machen. Der gute Experte wird Führungskraft, egal ob er Menschen gut führen kann. Und im Umkehrschluss heißt das: Wer 20 Jahre Experte ist, kann nicht gut sein, sonst wäre er ja Führungskraft geworden. Führung in diesen Systemen funktioniert über Macht. Die Führungskraft sagt, was zu tun ist, und gibt die Ziele vor. Und auch wenn sich dieses Prinzip inzwischen etwas abgeschwächt hat, gibt es weiterhin dringenden Handlungsbedarf.

Ihr New-Work-Ansatz definiert Führung also komplett anders?

» Genau. Die Entwicklung geht von der Führung über Macht hin zu einer Führung über Vertrauen. Wenn außen in der VUCA-Welt alles immer komplexer wird, so dass sie sich mit den alten Instrumenten immer weniger greifen lässt, kann man ihr nur mit Komplexität entgegnen. Das heißt: Jeder Mitarbeiter muss in die Selbstverantwortung kommen. Das geht nur über Vertrauen. Demnach muss die Führung dafür sorgen, dass der Mitarbeiter in seiner Aufgabe wächst und sich Menschen entwickeln können. Schließlich entstehen die interessanten Fragen für die Organisation nicht innerhalb der Organisation, sondern beim Kontakt zum Markt. Und diesen Kontakt haben in der Regel die Sachbearbeiter, nicht die Manager. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die spannenden Fragen, die an dieser Schnittstelle entstehen, möglichst schnell innerhalb der Organisation behandelt werden können. Das gelingt nicht auf dem klassischen Weg: Da läuft die Frage mit stiller Post nach oben und kommt irgendwann wieder per stiller Post zurück. Stattdessen muss die Selbstverantwortung der Mitarbeiter gestärkt werden.

Wie kann dieses Prinzip der Selbstverantwortung umgesetzt werden?

» Es gilt, Spielfelder zu definieren, in denen die Mitarbeiter selbstverantwortlich arbeiten können. Dieses Spielfeld müssen Führungskraft und Mitarbeiter gemeinsam in einem Prozess aushandeln. Wenn beide das gleiche Bild haben, dann ist es die Aufgabe der Führungskraft, das Spielfeld nach und nach größer zu ziehen, damit die Mitarbeiter sich entwickeln können. Die Abmachung könnte so lauten: Innerhalb des Spielfeldes agierst du selbstständig, wirst also nicht kontrolliert. Wir erwarten aber, dass du kommst, wenn etwas nicht funktioniert. Du hast die Verantwortung. Genau das meint partizipative Führung. Das heißt: 1. die Entscheidung da zu treffen, wo die Kompetenz liegt und 2. die Selbstverantwortung zu stärken. Durch diese beiden Aspekte ändert sich das WirGefühl. Jedes Unternehmen sollte sich ohnehin fragen, wer ist mit „wir“ gemeint: Die Gesamtorganisation, die Abteilung, das Team? Gehört der Kunde, der Lieferant mit dazu? Hier liegt eine spannende Herausforderung, die es aufzulösen gilt.

Wenn sich die Themen Macht und Verantwortung verändern und es selbst organisierte Teams gibt, funktionieren dann noch klassische Vergütungsmodelle?

» Genau zu diesem Tabuthema haben wir geforscht und ein Buch zu „New Pay“ geschrieben. Dafür haben wir Unternehmen analysiert, die anders mit Vergütung umgehen. Die Bandbreite reicht vom Einheitsgehalt über transparente Gehaltsformen und Teams, die ihre Gehälter bestimmen, bis zu Firmen, deren gewählte Mitarbeiter über das Gehalt entscheiden, bis hin zum Wunschgehalt. Auch Ansätze wie Gewinn- und Unternehmensbeteiligung sind möglich. Aber insgesamt gibt es auch bei New Pay keine Blaupause. Die Organisation muss ihren eigenen Weg gehen und Werte, Begriffe und Kriterien neu definieren. Wichtige Fragen lauten: Was ist für uns als Unternehmen fair? Brauchen wir transparente Gehälter oder reicht es, einen transparenten Prozess zu haben? Was wollen wir belohnen, was nicht? Schnell wird es um Werte gehen, die nicht nur für das Gehalt, sondern generell gelten müssen – auch gegenüber Kunden.

Welche Tipps können Sie kleineren Unternehmen geben, die in die NewWork-Welt starten wollen?

» Sie müssen 1. tatsächlich eine Not haben. Also Punkte erkennen, an denen sie festmachen, so wie wir bisher agieren, funktioniert es nicht mehr. 2. müssen die „Warum-“ und „Wofür-Fragen“ gestellt werden. Warum und wofür soll sich  etwas verändern? Diese Fragen kann jeder quer durch alle Bereiche seines Unternehmens stellen: Warum gibt es dieses Team überhaupt? Was ist seine Rolle? Wer sich auf diesen Ansatz einlässt, kann die drei größten Herausforderungen identifizieren und im ersten Schritt mit derjenigen starten, für die die schnellste Lösung möglich erscheint. Dabei könnte er sich extern begleiten lassen oder ein freiwilliges, hierarchie-unabhängiges Team zusammenstellen, zu dem er Mitarbeiter etwa so einlädt: Wir wollen unsere Organisation weiterentwickeln, wer will mitdenken? Das Ganze erfordert Geduld, dient aber gleichzeitig dazu, Mitarbeiter zu fördern und damit auch das Wachstum des Unternehmens zu entfalten. Im Grunde geht es bei New Work darum, den gesunden Menschenverstand wieder in die Organisation zu holen. Dabei spielt die Kommunikation eine zentrale Rolle. Letztendlich schaffen Menschen die Wertschöpfung eines Unternehmens und dabei sollten sie unterstützt werden.


Kontakt:   Sven Franke | Geschäftsführender Gesellschafter CO:X, Telefon +49-172 3680212 | Mail: sven.franke@coplusx.de | Web: www. coplusx.de