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Experteninterview mit Boris Blechschmidt

Social Media:
Stringente Strategien – Mehr Kundennähe

Prof. Dr. Boris Blechschmidt ist seit 2016 Professor für Online-Marketing an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften und geschäftsführender Gesellschafter der fourmula GmbH für Unternehmensberatung und Management-Trainings. Vor der akademischen Laufbahn war er mehrere Jahre in Führungspositionen sowohl im E-Commerce als auch im Maschinenbau tätig.

Worin liegen die größten Chancen bzw. Risiken beim Social-Media-Marketing?

Das Social-Media-Umfeld bietet Unternehmen die Chance, besonders intensive Kundennähe, Feedbackmöglichkeiten und eine hohe Reichweite zu generieren. Präsentieren sich Unternehmen nicht auf Social-Media-Kanälen, muss das heute schon fast als grob fahrlässig bezeichnet werden. Frage ich meine Studierenden nach ihren wichtigsten Informationsquellen in Bezug auf Unternehmen, Produkte und Tagesgeschehen, dann nennen sie nicht die typische Internetpräsenz oder die klassischen Massenmedien, sondern vor allem Social-Media-Plattformen.

Ein großes Risiko liegt darin begründet, dass Unternehmen Social-Media-Themen nicht sauber in ihrer Organisation verankern oder dem Bereich zu wenig Beachtung schenken. Dies führt häufig dazu, dass die entsprechenden Kanäle ohne klare Strategie und nicht stringent bespielt werden. Demzufolge wird, oft durch unzureichendes Wissen, nicht die gewünschte Wirkung erzielt und Geld verbrannt. Das kann dazu führen, dass auf Konsumentenseite Unmut entsteht, der sich beispielsweise in negativen Kommentaren äußert.

Welche sozialen Netzwerke sind heute besonders relevant für KMU?

Jüngere Konsumenten erreicht man vor allem auf Plattformen wie Snapchat und TikTok, junge Erwachsene und inzwischen auch die etwas ältere Generation, auf Instagram. Facebook spielt bei den unter 25-Jährigen kaum noch eine Rolle, bei den Älteren hingegen eine herausragende. Im B2B-Umfeld sind vor allem Business-Plattformen wie Xing und LinkedIn besonders relevant. Aber auch die eher auf den Endkunden gerichteten Plattformen können durch gezieltes Targeting bei der Nutzung bezahlter Werbeformate hilfreich sein, da hier ebenfalls B2B-Entscheider identifiziert werden können.

Wo punktet das Social-Media-Marketing im Vergleich zum klassischen Marketing?

Die Unterschiede zum klassischen Marketing sind gar nicht so groß, sondern nur spezifischer. In Bezug auf Kommunikation sind im Marketing klar definierte Ziele, Zielgruppen, eine langfristige strategische Positionierung und klare, für die Zielgruppe verständliche, Botschaften von hoher Bedeutung. Nur so können Marketingmaßnahmen effektiv und effizient gestaltet und ausgespielt werden. Im Social-Media-Marketing, wie auch generell im Online Marketing, kann jedoch deutlich datengetriebener gearbeitet werden. Dadurch kann etwa durch Testings schnell herausgefunden werden, ob der eingeschlagene Weg zielführend ist oder ob nachjustiert werden muss.

Was zeichnet eine zielführende Content-Strategie aus?

Neben klaren Zielen und Zielgruppendefinitionen müssen vor allem die Botschaften für die Zielgruppe von hoher Relevanz sein. Gleichzeitig sollte idealerweise ein Konsumentenproblem in adäquater Form und auf einem relevanten Kanal gelöst werden. Je nach Zielsetzung können eine kurze Textnachricht auf Twitter, ein aufwendig produziertes Video-Tutorial auf YouTube, das von einer umfangreichen Seeding-Maßnahme zur Verbreitung begleitet wurde, ebenso sinnvoll sein wie eine kürzere Variante auf TikTok oder eine Kombination aus mehreren Maßnahmen. Die Mindestvoraussetzungen für eine gute Content-Strategie sind: klare Ziele, eine operative Umsetzung in Form eines strukturierten Redaktionsplans und die permanente Evaluation der Ergebnisse.

„Mindestvoraussetzungen für eine gute Content- Strategie sind: klare Ziele, eine operative Umsetzung in Form eines strukturierten Redaktionsplans und die permanente Evaluation der Ergebnisse.“

Prof. Dr. Boris Blechschmidt

Welche Social-Media-Maßnahmen können die Markenbekanntheit steigern?

Grundsätzlich können im Social-Media-Umfeld unzählige Maßnahmen entwickelt werden, die eine hohe Reichweite innerhalb der Zielgruppe erzeugen und somit auf die Markenbekanntheit einzahlen. Dazu zählen die gekaufte Reichweite durch bezahlte Werbekampagnen innerhalb der Netzwerke, die Zusammenarbeit mit großen Influencern oder mit vielen Micro-Influencern sowie Maßnahmen, bei denen Kenner incentiviert werden, die Marke an Nichtkenner zu empfehlen.

Wie kann Social-Media-Marketing die Arbeitgebermarke stärken – gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel?

Besonders bei den unter 30-Jährigen spielen Social-Media-Kanäle inzwischen eine bedeutendere Rolle als die klassische Internetpräsenz. Um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, trifft das Unternehmen daher seine Zielgruppe der zukünftigen Mitarbeiter eher im Social-Media-Umfeld. Hier verstehen potenzielle Arbeitnehmer das Kommunikationsverhalten eines Unternehmens gegenüber seinen Kunden als möglichen Indikator dafür, wie auch innerhalb des Unternehmens kommuniziert wird. Damit lässt die externe Kommunikation auch Rückschlüsse zu auf die – zumindest vermutete – interne Kommunikation.

Wann lohnt sich Social-Media-Werbung?

Durch Social Media Advertising kann eine hohe Reichweite erzielt werden. Zudem bieten die Netzwerke umfassende Targeting-Möglichkeiten, um auch eher nischige Zielgruppen erreichen zu können. Darüber hinaus ermöglichen Social-Media-Kanäle eine präzise Analyse und Erfolgsmessung sowie eine klare Kostenkontrolle. Der Einstieg ist somit niederschwellig, so dass bereits mit überschaubaren Budgets in kleinen Segmenten getestet werden kann, ob die Social-Media-Werbeausgaben in einem guten Verhältnis zum Return stehen. Wenn dies der Fall ist, kann sukzessive skaliert werden.  

Wie können Unternehmen im Social Web mit negativem Feedback umgehen und wie lässt sich beispielsweise ein Shitstorm verhindern?

Im besten Fall versucht man dies zu vermeiden, indem man nicht unbedarft postet, sondern sich im Vorfeld Gedanken darüber macht, wie die eigene Kommunikation wirkt. Eine wertschätzende Kommunikation reduziert die Wahrscheinlichkeit eines Shitstorms deutlich. Grundsätzlich sollte man drei oder vier negative Kommentare nicht mit einem Shitstorm verwechseln. Zumeist hilft hier ein dickes Fell und eine sachliche Gegendarstellung. Bei großen Unternehmen halten inzwischen viele Kommunikationsabteilungen für unterschiedlichste Szenarien entsprechende Pläne bereit, wie, wann und durch wen kommuniziert wird. Dies ist für kleine Unternehmen natürlich kaum realisierbar. Sollte es dennoch zu einem Shitstorm kommen, ist man in vielen Fällen mit einer ehrlichen Entschuldigung gut beraten. Das Löschen negativer Beiträge wird dagegen häufig als eine Form von Zensur interpretiert und ist deshalb nicht zu empfehlen.

Welche Praxistipps können Sie gerade kleineren Unternehmen für ihr Social-Media-Marketing geben?

Vor allem sollten klare Ziele definiert werden und es muss sehr genau geklärt sein, wofür genau das Social-Media-Marketing eingesetzt werden soll, welche Reichweite angestrebt wird, welches Image aufgebaut beziehungsweise gestärkt werden soll und welche Servicethemen gespielt werden könnten. Eine zentrale Frage lautet: Wen möchte ich über welchen Kanal erreichen? Hier kann beispielsweise die Definition einfacher Buyer-Personas hilfreich sein. Zudem sollte mindestens ein grober Redaktionsplan erstellt werden, der Inhalte, Timings und die Verzahnung zu anderen Kommunikationskanälen darstellt. Anschließend ist es wichtig, mit klaren Hypothesen kleine Tests durchzuführen und immer wieder zu überprüfen, inwieweit eine Veränderung einen positiven Effekt erzielt. Auf diese Weise kann eine sukzessive Verbesserung entwickelt werden.  

Welche Chancen bietet Social Media in Zeiten der Corona-Krise?

In vielen Bereichen des Arbeitslebens findet zurzeit eine ‚erzwungene‘ Digitalisierung statt. Videokonferenzen, Collaboration Tools, Lernumgebungen etc. werden jetzt in den meisten Unternehmen viel mehr als sonst genutzt und häufiger als zuvor akzeptiert. Was sich für einige Menschen vor ein paar Wochen noch unnatürlich angefühlt halt, ist nun im Alltag vieler Menschen angekommen. Dabei rücken aufgrund der sozialen physischen Distanz die Social-Media-Kanäle noch weiter in den Fokus. Dadurch könnte auf Konsumentenseite die Akzeptanz von Social Media als Kommunikationskanal noch weiter steigen und zu mehr Nähe zwischen Unternehmen und Konsumenten führen. Fehlende physische Kontakte können über die Kommunikation via Social Media zumindest ein wenig abgefedert werden. Aktuelle Herausforderungen – etwa, warum Lieferzeiten sich verlängern oder im Kundenservice weniger Mitarbeiter präsent sind – können, wenn authentisch kommuniziert wird, positiv auf das Image des Unternehmens einzahlen. Auch in diesen Zeiten ist es wichtig, mit viel Feingefühl zu kommunizieren – besonders über Themen, die die Zielgruppe gerade umtreiben.

Kontakt:

Prof. Dr. Boris Blechschmidt
Telefon 05341 875-52560
b.blechschmidt@ostfalia.de

Foto: Ostfalia