Stadt + Entwicklung

Städte und öffentliche Räume neu denken

Rasmus Duong-Grunnet im Interview

Was ist das Ziel der PSPL-Analyse
und was ihr spezieller Ansatz?

» Eine PSPL liefert empirische Erkenntnisse und Argumente für die
Verbesserung des öffentlichen Raums. Statt problemorientiert zu arbeiten, unterstützen wir die Stadt Wolfsburg dabei, die positiven Aspekte der Porschestraße und vorhandene Potenziale zu nutzen. Die PSPL-Studie ist ein anerkannter Ansatz und eine Methode, die seit mehr als zwei Jahrzehnten in zahlreichen Städten weltweit durchgeführt wurde. Daher ermöglicht sie einen breiteren Vergleich und die Kontextualisierung städtischer Trends. Der abstrakte Begriff der Urbanität wird aus unserer Sicht von der Aktivität der Menschen in einer Stadt bestimmt. Ob ein Stadtraum gut funktioniert, lässt sich daran erkennen, wie vielfältig und aktiv das öffentliche Leben ist.

Wo hebt sich Wolfsburg von anderen
Städten ab?

» Wolfsburg ist eine junge Stadt, die im Sinne der Moderne – also auf das Auto ausgerichtet – gebaut wurde. Dennoch war Wolfsburg auch ein „First Mover“ bei der Umwandlung der vierspurigen Porschestraße in eine Fußgängerzone – eine ganz besondere und schwierige Herausforderung. Ein weiterer Punkt ist, dass Wolfsburg eine Stadt mit rund 60.000 Pendlern ist. Sie hat also die Chance, etwas Besonderes für die Menschen zu bieten, die zusätzlich in die Innenstadt kommen.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Wolfsburger PSPL-Studie?

» Sowohl an Wochentagen als auch an Wochenenden sind auf der Porschestraße viele Menschen unterwegs. Es sind vor allem die Frequenzen in den Seitenstraßen, die sich zwischen den beiden Zeitphasen verändern. Dies kann ein Indikator dafür sein, dass es an den Wochenenden nur wenige Attraktionen für die Menschen gibt, da die Straße eher für alltägliche Besorgungen genutzt wird. Grundsätzlich stellten wir fest, dass die Nord-Süd-Bewegung ungleich stärker ausgeprägt ist als die Bewegungsströme aus Ost und West. Insgesamt ist die Porschestraße ein Treffpunkt für die Wolfsburger: Abgesehen von Gesprächen mit anderen Menschen ist die häufigste Aktivität das informelle gemeinsame Essen und Trinken. Hierauf könnte sich aufbauen lassen!

Was muss sich aus Ihrer Sicht konkret verändern?

» In unserer Analyse haben wir drei Empfehlungen erarbeitet. Es geht darum, diese als Leitfaden für die langfristige Entwicklung der Porschestraße und der Wolfsburger Innenstadt zu definieren. Hieraus können konkrete Handlungen und Projekte abgeleitet werden.

Wie lauten die drei Empfehlungen?

» 1. Langfristige Aktivierung der Nachbarschaften: Die Analyse zeigt, dass sich die Porschestraße in vier räumlich und programmatisch unterschiedliche Sequenzen einteilen lässt. Aufgrund ihrer verbindenden Funktion ist der lineare Zusammenhang vergleichsweise unproblematisch. Schwieriger ist der Bezug zu den angrenzenden Stadtvierteln. Um die Innenstadt nachhaltig zu beleben, muss die Porschestraße ihre Nachbarschaften besser einbeziehen. Hierbei können punktuelle Interventionen und temporäre Events helfen. 2. Die existierenden Räume zu Destinationen machen: Ein ganzjähriger, saisonaler Eventkalender nutzt auch ohne bauliche Maßnahmen das räumliche Potenzial der Porschestraße und sorgt für einen sich ständig wandelnden Charakter der Innenstadt. Durch kontinuierliches Testen verschiedener Events können feste Größen im Kalender und eine neue Identität sowie ein neues Selbstverständnis in Wolfsburg etabliert werden. 3. Die Porschestraße ganztägig, das ganze Jahr beleben: Die Analyse zeigt, dass das öffentliche Leben aus der Porschestraße schwindet, wenn die Läden schließen und die Menschen in die einzelnen Wohngebiete fahren. Mit den richtigen Anreizen und Angeboten für die entsprechenden Gruppen, die den Raum schon jetzt nutzen, kann die Innenstadt dennoch zu einem lebendigeren Ort auch nach Feierabend werden. Vor allem Zwischennutzungskonzepte können entwicklungsbedingten Leerstand ausgleichen und mit Leben füllen.

Was können wir aus der Pandemie bei der zukunftsfähigen Entwicklung von Innenstädten lernen? 

» Wir haben aus der Covid-19-Situation viele Dinge über unsere Städte gelernt. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Menschen Zugang zu guten, gesunden und interessanten Angeboten in ihren Stadtvierteln brauchen. Ein Freiraumerlebnis, das Menschen zum Verweilen einlädt, unterstützt das öffentliche Leben und erhöht somit die Lebensqualität in unseren Innenstädten. Zugleich stärkt ein attraktiver Freiraum auch das Einkaufserlebnis und ist somit für den teilweise angeschlagenen Einzelhandel in Innenstädten von besonderer Bedeutung. Unsere Innenstädte müssen wieder mehr als soziale Räume dienen, in denen wir uns als Teil einer Gemeinschaft fühlen können.

Durch die Covid-19-Pandemie wurden viele Prozesse, auch im Bereich der Stadtentwicklung beschleunigt. Die Stadt Wolfsburg hat dies zum Anlass genommen, proaktiv die Zukunft zu gestalten. Wir haben uns sehr gefreut, die Porschestraße als zentrale innerstädtische Herausforderung in Wolfsburg zu bearbeiten und sind beeindruckt von der Bereitschaft Wolfsburgs, wieder einmal Vorreiter zu sein und zu zeigen, wie Städte mit ihren Innenstädten umgehen können.


Gehl hat eine Analyse des öffentlichen Lebens in verschiedenen Städten während der Covid-19-Periode durchgeführt. Den Bericht gibt es hier.

Titelbild: Rasmus Duong-Grunnet © Gehl Architects