Viel Potenzial für Umwelt und Wirtschaftlichkeit
Gespräch mit Andrea Keßler, Geschäftsführerin der Regionalen EnergieAgentur e. V.
Seit 20 engagiert sich Andrea Keßler im Bereich der Nachhaltigkeit, seit zwei Jahren auch bei der Regionalen EnergieAgentur (REA). Die Politikwissenschaftlerin und Energiemanagerin unterstützt Unternehmen dabei, ökologische und ökonomische Potenziale beim Thema Klimaschutz und Energieeffizienz zu heben.
Was ist die Aufgabe der Regionalen EnergieAgentur?
Seit 2014 leisten wir unseren Beitrag zur Erreichung der nationalen und globalen Klimaschutzziele. Dabei agieren wir als zentrale Koordinierungsstelle für Kommunen, Unternehmen, Verbände sowie Wissenschaft und Forschung. Ein wichtiges Ziel ist, Netzwerke aufzubauen, in denen sich verschiedene Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung gegenseitig mit ihrem Know-how unterstützen, um innovative Projekte im Bereich Klimaschutz und Energieeffizienz voranzubringen. Damit tun wir nicht nur etwas für die Umwelt, sondern stärken außerdem den regionalen Wirtschaftsstandort.
Warum existiert Handlungsbedarf für Unternehmen?
Nicht nur gesetzliche Auflagen wie die seit dem 1.1.2021 geltende CO2-Bepreisung und der allgemeine Kostendruck zwingen Unternehmen zum Handeln. Hinzu kommt, dass in den Köpfen der meisten Menschen ein Umdenken stattfindet und Nachhaltigkeit zum Wettbewerbsvorteil wird. Entsprechende Aktivitäten von Unternehmen entfalten eine positive Außenwirkung und erhöhen außerdem die Attraktivität als Arbeitgeber für Fachkräfte. Deshalb möchte ich Unternehmen oftmals zurufen: Handeln Sie jetzt! Lassen Sie andere nicht an sich vorbeiziehen!
Was kann die Regionale EnergieAgentur ganz konkret für Unternehmen tun?
Viele Unternehmen empfinden den Klimaschutz vor allem als Zusatzbelastung – zeitlich und finanziell. Wir zeigen, dass das nicht so sein muss, denn in diesem Bereich liegen große Wirtschaftlichkeitspotenziale. Unternehmen, die in Energieeffizienz investieren, genießen viele Vorteile. Zum einen heißt Energie sparen immer auch Geld sparen. Viele Maßnahmen sind geringinvestiv, entfalten aber eine große Wirkung. Dafür müssen Unternehmen oftmals nicht einmal viel tun. Wir unterstützen beispielsweise mit kostenfreien Beratungen zum Thema Solarenergie sowie Energie- und Materialeffizienz. Auf unserer Internetseite finden Firmen, Kommunen oder Bildungseinrichtungen einen Beratungsgutschein. Sie suchen sich einen Berater aus, erhalten eine kostenlose Expertise inklusive Wirtschaftlichkeitsberechnung und erhalten damit eine Entscheidungsgrundlage beispielsweise für die Anschaffung einer Photovoltaikanlage, mit der sie Geld sparen können. Darüber hinaus beraten die Experten über Fördermöglichkeiten, von denen es heutzutage so viele gibt wie nie zuvor. Wer im Bereich erneuerbare Energien und Klimaschutz investieren möchte, findet fast immer eine Möglichkeit, Zuschüsse von Bund, Land oder der EU zu erhalten.
Eine Initiative, die zurzeit viel Aufmerksamkeit erregt, ist der Runde Tisch Elektromobilität. Was ist daran so bemerkenswert?
Mit dem Runden Tisch haben wir es geschafft, die relevanten Akteure für den Ausbau der E-Mobilität in der Region Braunschweig an einen Tisch und in den Dialog zu bringen, um gemeinsam Lösungsstrategien zu entwickeln. Mir ist landesweit kein vergleichbares Netzwerk bekannt. Deshalb besitzt der Runde Tisch Modell-Charakter für andere Regionen.
Welche Ziele wollen Sie mit dem Runden Tisch Elektromobilität erreichen?
Im letzten Jahr hat die Elektromobilität enorme Schubkraft entwickelt. Die Produktpalette von Fahrzeugen ist gewachsen, die Reichweiten haben zugenommen und auch die Anschaffungspreise werden attraktiver. Die Zulassungszahlen für E-Autos haben sich von 2019 zu 2020 verdreifacht. Trotz ernst zu nehmender Vorbehalte beispielsweise wegen des Einsatzes seltener Erden bei der Produktion ist die Elektromobilität die ökologisch sinnvollste und CO2-ärmste Antriebsart, die wir aktuell haben. Diesen Schwung wollen wir mit zentralen Akteuren aus der Gruppe der Energieversorger, Kommunen, Wirtschaft und Wissenschaft nutzen und noch existierende Probleme beim Ausbau der notwendigen Infrastruktur lösen. Hintergrund ist, dass trotz wachsender Beliebtheit in der Bevölkerung noch Vorbehalte gegenüber Elektroautos bezüglich ihrer Reichweite und Abrechnungsmodalitäten beim Tanken existieren. Deshalb ist ein zentrales Thema des Runden Tisches, den bedarfsgerechten und koordinierten Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur voranzutreiben und Bezahlsysteme zu vereinheitlichen. Leider ist es immer noch so, dass diesbezüglich viele weiße Flecken auf der Landkarte existieren. Es gibt keine zuverlässige Übersicht darüber, wo Ladesäulen stehen, ob sie aktiv sind und wie sie frequentiert sind. Auch um dieses Problem zu lösen, wollen wir eine zentrale Koordinierungsstelle mit entsprechender Informationsplattform einrichten. Aktuell sind wir dabei, Fördergelder für dieses Projekt aufzutreiben.
Was haben die am Runden Tisch beteiligten Unternehmen davon?
Bereits bei unserem ersten Treffen im Januar 2020 hatten wir 50 Teilnehmer, die sich über bestehende Hindernisse und deren Lösungsmöglichkeiten austauschten. Dabei stellten wir fest, dass es oftmals die gleichen Schwierigkeiten waren, mit denen sich die Teilnehmer herumschlugen. Es ging unter anderem um Probleme mit für E-Autos ausgewiesenen Parkplätzen und um begrenzte Kapazitäten von Betrieben, die Ladesäulen installieren können und dürfen. Gleichzeitig konnten durch das Know-how der verschiedenen Akteure Lösungen gefunden werden, durch die das Thema nicht nur planerisch, sondern auch ganz praktisch vorangetrieben wird.
Wir alle lernen voneinander, auch durch Erfolgsgeschichten wie das Carsharing-Projekt Sheepersharing von BS|Energy oder die unter dem Dach von #WolfsburgDigital errichteten High-Power-Charging-Ladeparks in Wolfsburg. Darüber hinaus funktioniert der Runde Tisch wie ein Think Tank, innerhalb dessen Ideen und Innovationen durch den Austausch von Experten entstehen.
Nächster Termin Runder Tisch Elektromobilität:
30.6.2021 (digital)
Was muss in dieser Region im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz in den nächsten Jahren passieren?
Deutschland will bis 2050 klimaneutral werden. Dafür müssen wir etwas tun. Darüber hinaus hat in den Köpfen vieler Menschen bereits ein Ideologiewechsel stattgefunden, vor allem im letzten Jahr. Nachhaltigkeit ist zum Trend geworden – das müssen wir ausnutzen. Wir sind auf einem guten Weg, trotzdem glaube ich, dass wir mehr Verpflichtung und auch mehr Anreize brauchen, um die Entwicklung voranzutreiben. Unter anderem finde ich, dass öffentliche Verwaltung und Unternehmen eine wichtige Vorbildfunktion haben, die sie ausnutzen sollten. Wenn beispielsweise Kommunen oder die Post E-Autos anschaffen oder auf (Elektro-)Fahrräder umsteigen, hat das eine Signalfunktion für die Menschen. Bezüglich des Einsatzes von Solarenergie sind große Potenziale auf den Dächern noch ungenutzt, auch bei kommunalen Liegenschaften. Das Gute ist doch: Gerade im Bereich der Photovoltaik und Elektromobilität gibt es zurzeit besonders viele Fördermöglichkeiten. Speziell kleine Unternehmen erhalten eine finanzielle Unterstützung, wenn sie Ladesäulen installieren. Aktuell sind dabei bis zu 80 Prozent Erstattung der Investitionskosten durch Bundesmittel möglich.
Kontakt für Austausch und Beratung
Regionale EnergieAgentur e. V.
Andrea Keßler
Telefon 0531 2421031
www.regionale-energieagentur.de
Titelfoto © Gesa Walkhoff