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Die Quellen der Motivation

Was bewirken innere Antriebskräfte und äußere Reize? Alles! Das ist Motivation.

Motivation kommt von innen heraus, aber auch von außen
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Warum lassen sich einige Menschen hängen, während andere selbst nach den härtesten Niederlagen wieder aufstehen? Warum halten wir noch durch, obwohl die anstehenden Aufgaben nur noch nerven? Was treibt uns dabei an, ein Ziel mit Begeisterung zu verfolgen? Und warum können uns manche Menschen mitreißen und andere nicht? Wer den Begriff Motivation googelt, findet fast 500 Millionen Einträge. Rezepte, die unsere Antriebskräfte aktivieren, scheinen äußerst gefragt zu sein. Besonders in der Arbeitswelt gilt die Formel: je motivierter die Mitarbeiter*innen, desto erfolgreicher das Unternehmen. Fakt ist: Gerade in Zeiten großer Transformationen muss die Mannschaft hochmotiviert sein. Deshalb sollte man wissen, was hinter den Kulissen geschieht. Also: Vorhang auf!

Inzwischen besteht wissenschaftlicher Konsens darüber, dass die unterschiedlichsten Motive unser Verhalten lenken. Dazu zählen lebenserhaltende, primäre Antriebe. Sie kommen dann ins Spiel, wenn wir etwas tun, um etwa Hunger oder Schmerzen zu vermeiden oder ein Gefühl der Sicherheit anstreben. Andere Antriebskräfte sind das Ergebnis unserer sozialen Erfahrung, wie etwa das Bedürfnis nach Anerkennung. Welche Motivationskräfte wirken in der Arbeitswelt und sorgen dort für Freude oder Unlust? Anfang der 1960er-Jahre führte der amerikanische Sozial- und Verhaltenspsychologe David McClelland die „Big Three“ der Motivatoren ein: Erfolg, Macht und Zugehörigkeit. Er wies nach, dass der menschliche Körper positiv auf die Befriedigung dieser Antriebskräfte reagiert. Ferner erkannte McClelland zwei Kategorien von Motivation. Es gibt die extrinsische Motivation. Hier erfolgen Anreize von außen. Das kann die Aussicht auf Anerkennung sein, aber auch die Vermeidung von Sanktionen. Die weitaus stärkere aber ist die intrinsische Motivation. Denn dort liegen die Beweggründe für unser Handeln in uns selbst begründet. Heute geht die Forschung davon aus, dass äußere Anreize vor allem bei sogenannten algorithmischen Aufgaben funktionieren. Also immer dann, wenn nur ein Weg zur Lösung führt. Bei Aufgaben hingegen, die neuartige kreative Lösungen erfordern, sind nicht extrinsische Motivationsfaktoren zielführend, sondern die intrinsische Motivation. Sie bezieht sich auf „unser angeborenes Bedürfnis, unser Leben selbst zu bestimmen, zu lernen und neue Dinge zu erschaffen sowie uns selbst und unserer Umwelt Gutes zu tun“, sagt Daniel Pink. Demnach haben Menschen mit inneren Antrieben „ein höheres Selbstwertgefühl, bessere soziale Beziehungen, sie lernen schneller, sind kreativer, produktiver und glücklicher.“ Ferner gehen die Psychologen Richard Ryan und Edward L. Deci davon aus, dass die Stärke der Motivation davon abhängt, inwieweit drei allgemeine Bedürfnisse befriedigt werden können: Kompetenz, Verbundenheit und Autonomie.

Mit ausreichend Motivation kann man jeden Gipfel erreichen
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HÜRDEN ÜBERWINDEN – ZIELE ERREICHEN

Motive sind die eine Seite der Medaille, Ziele die andere. Sobald die angestrebten Ziele nicht mit unseren Bedürfnissen übereinstimmen, wirken sie sich negativ auf die Arbeitsmoral aus. Ziele machen für uns dann am meisten Sinn, wenn sie zu dem passen, was uns ausmacht und antreibt. Was aber, wenn der Weg zum Ziel trotz hoher Motivation schwerfällt? Die Psychologen Gabriele Oettingen und Peter Gollwitzer kalkulierten Hürden mit ein. Sie entwickelten „Wenn-dann-Pläne“ und die WOOP-Methode. Sie steht für Wish, Outcome, Obstacle, also für Wunsch, Ergebnis, Hindernis und Plan.

Ihre Methode verknüpft abstrakte Ziele mit konkreten Schritten in der Gegenwart. Der Hintergrund: Wer von vornherein mit einplant, was zu tun ist, wenn es anstrengend wird, der hält länger durch. Darüber hinaus steigen die Chancen, dass ein Unternehmen nachhaltig erfolgreich sein wird, wenn sich die Mitarbeiterschaft neben Werten und Strategie auch mit den großen Zielen identifizieren kann. Andernfalls holt sich das Unternehmen einen gravierenden Motivationskiller an Bord. Im Interview äußerten Charly Fliegauf und Ralf Keller, dass nur ein gemeinsames Ziel, für das die gesamte Mannschaft bereit ist zu kämpfen, ein sinnvolles Ziel ist. Und dass ferner „Führungsspieler“ gefunden oder entwickelt werden müssen, die vorangehen und mitreißen. Dieses Erfolgskonzept ließe sich problemlos auch auf die Unternehmenswelt jenseits des Sports übertragen.

MIT DEM RICHTIGEN MINDSET ZUM ERFOLG

Wer im Job erfolgreich sein will, der sollte seine eigenen Motivationskräfte aktivieren und lernen, diese zielorientiert einzusetzen. Gleichzeitig sind Führungskräfte gefragt, die vorangehen und ein „Händchen“ dafür haben, die richtigen Impulse zu setzen. Eine wesentliche Grundbedingung für den Erfolg und die Freude an der Arbeit ist und bleibt, dass Mensch, Job und Teams zueinander passen müssen. Dazu sind bestimmte Voraussetzungen nötig:

  • Eine entsprechende Führungs- und Unternehmenskultur.
  • Mitarbeiter*innen, die bereit sind, sich mit ihren eigenen Quellen der Motivation auseinanderzusetzen.
  • Qualfizierungsangebote, die die Mannschaft bei Bedarf in die Lage versetzt, ihre Jobs kenntnisreich und hoch motiviert zu meistern.
  • Ein intelligentes Zusammenspiel zwischen Personalentwicklung und Personalrecruiting.

Marcus Täuber empfiehlt im Interview, jeden Job mit dem dazugehörigen Mindset zu versehen. So lassen sich intern wie extern die Menschen finden, die sowohl zum Job als auch zum Unternehmen passen.

ALLES ODER NICHTS

Motivation kann viel bewirken, ist aber kein automatischer Erfolgsgarant. Selbst hoch motivierte Menschen und Teams scheitern. Diese Erfahrung kann aber im Rückblick sogar der stärkste aller Auslöser sein, um motivierter den je einen neuen Anlauf zu nehmen. Bastian Schweinsteiger hatte mit der Nationalmannschaft viele Anläufe genommen und mit ihr keinen einzigen Titel gewonnen. Im Finale der WM in Brasilien 2014 war ihm klar, dass dies seine allerletzte Chance sein würde. In der Schlussphase, als es um alles ging, verletzte er sich. Er hätte sich auswechseln lassen können – tat es aber nicht. Der Rest ist Geschichte.

WARUM GIBT MAN EIGENTLICH EIN ZIEL AUF?

Das Problem verschärft sich mit der Frage: Soll ich weitermachen oder nicht? Diese Handlungskrise wird durch Misserfolge und Rückschläge ausgelöst, nicht dadurch, dass das Vorhaben an Attraktivität verloren hätte, sagt die Expertin für Motivationspsychologie Veronika Brandstätter-Morawietz. Die Zweifel können über Monate anhalten und sich so steigern, dass man sich irgendwann von dem ursprünglichen Ziel distanziert. Dieser Prozess ist wie eine Berg- und Talfahrt: Man ist zuversichtlich und engagiert sich. Dann folgt ein Rückschlag, man rafft sich wieder auf, investiert Kraft und Zeit, schöpft Hoffnung bis zum nächsten Tal. Dieser Konflikt erzeugt starken Stress. Wie lange dieser Prozess dauert, könnte von zwei Faktoren abhängen: 1. Wie viel Zeit und Geld man investiert und 2. wie identitätsstiftend das Ziel für die eigene Persönlichkeit ist. Beispielsweise wird man eine berufliche Position, die man schon lange ausgeübt hat, nicht so leicht über Bord werfen. Naturgemäß sind Zeiten der Monotonie oder Überanstrengung völlig normal, aber irgendwann steht man vor der Frage: Woran erkenne ich, ob ich weitermachen und wann aufgeben soll? Brandstätter-Morawietz empfiehlt: „Wenn man spürt, dass das Verfolgen eines Ziels mit einer chronischen Überanstrengung verbunden ist, dann ist das zumindest ein deutliches Warnsignal.“ Jetzt gilt es, sich zu entscheiden. Brandstätter-Morawietz sieht drei Optionen: aufhören, das Ziel umformulieren oder eine andere Strategie einschlagen.

DRANBLEIBEN

Wer positive Gewohnheiten nach einem bestimmten Reiz-Reflex-Schema entwickelt, erhöht die Chance, seine Ziele zu erreichen. Dazu empfiehlt die Psychologin Wendy Wood, „Kontextauslöser“ zu schaffen, damit sich die damit verbundenen Handlungsaufforderungen über neuronale Verknüpfungen im Gehirn dauerhaft verfestigen. Ein Beispiel: „Wenn ich mich besonders gestresst fühle, verfalle ich nicht in Aktionismus, sondern räume erst mal meinen Schreibtisch auf.“ Wie lange es dauert, die neue Routine zu verankern, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängt von der angestrebten neuen Gewohnheit ab. Die Probanden der Gesundheitspsychologin Phillippa Lally brauchten beispielsweise in einer Studie im Schnitt 66 Tage, bis sie eine Ernährungsgewohnheit umstellten. Eine andere Technik ist das, was die Wissenschaftler Richard Thaler und Cass Sunstein „Nudging“ – also anstupsen – nennen. Diese Methode soll sanft und mit einem gewissen „Spaßfaktor“ positiv auf das gewünschte Verhalten einwirken. Bekanntestes Beispiel: ein Fliegenaufkleber im Urinal, um die Treffsicherheit zu erhöhen.

Ein klares Ziel vor Augen sorgt für Motivation
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EINE FRAGE DER PERSPEKTIVE

Er saß 20 Jahre unschuldig im Gefängnis. Nelson Mandela hätte allen Grund gehabt, wütend und verbittert zu sein. Doch er überwand diese dunkle Zeit. Freundlich, humorvoll und versöhnt. Und fand einen beeindruckenden Weg zum Frieden. Mit sich selbst und für Südafrika. Wie ist ihm das gelungen? Auslöser für seine positive Haltung soll ein Buch gewesen sein, das ein Mithäftling ins Gefängnis schmuggelte: „Die Selbstbetrachtungen des Marc Aurel“. Der römische Kaiser Marc Aurel gehörte zu den Vertretern der Stoa, einer philosophischen Strömung, die vor 2400 Jahren entstand. Ein Ansatz, der helfen kann, wenn man aufgeben will oder verzweifelt ist. Sind aber Stoiker nicht jene Menschen, die alles über sich ergehen lassen? Falsch! Stoiker sehen die Welt gelassen sowie realistisch und setzen die Dinge ins richtige Verhältnis. Glück ist für sie nichts Selbstverständliches, sondern etwas, das man für sich auch in den kleinen Dingen entdecken muss. Ist das Glas halb voll oder halb leer? Auf diese Frage würde ein Stoiker wahrscheinlich antworten: Toll, dass ich überhaupt ein Glas habe, und schön, dass sich darin etwas befindet.

GESUNDER OPTIMISMUS

Grundsätzlich ist ein gesunder Optimismus entscheidend, um ein Ziel zu erreichen. Der kanadische Psychologe Albert Bandura nennt das Self-efficacy Beliefs – Selbstwirksamkeit. Darunter versteht er die Überzeugung, auch schwierige Herausforderungen bewältigen zu können. Im Idealfall erreicht man ein Ziel auf seinem eigenen Weg und in seinem eigenen Tempo, schreibt der Psychologe Hans-Georg Willmann in seinem Buch Willenskraft. Wie willensstark wir sind, hängt von unserem Selbstbild ab. In einer Studie der Psychologin Veronika Job wurde der Hälfte der Probanden „vorgegaukelt“, sie verfügten laut einem Persönlichkeitstest über ein starkes Durchsetzungsvermögen. Der anderen Hälfte wurde nur zum Schein eine schwach ausgeprägte Willenskraft bescheinigt. Beide Gruppen verhielten sich bei den gestellten Aufgaben so, wie die Forscher es ihnen zuvor suggeriert hatten!